Der Übersichtlichkeit halber beginne ich hier einen neuen Thread.
Digne schrieb:
{k}In jeder sozialen Gruppe oder Szene gibts eine spezielle Terminologie. Einerseits erleichtert sie die interne Kommunikation.
Andererseits aber dient sie dem gegenseitigen Erkennen von Insidern und dem SichAbgrenzen von Neuen.
Ich hab das in der Kirche mitgemacht;
ich durchlebte das in in meinem politischen Engagement.
Mir wurde diese typische Verhaltensmuster zunehmend zuwider. Wo ich fachlich dazu in der Lage bin oder es einfach menschlich angebracht scheint, suche und versuche ich Klartext.
Hatte bisher gedacht,
dass das im Zen unmöglich sei.{/k}
Der Wunsch nach Klartext ist verständlich - jeder, der beginnt, sich mit Zen auseinanderzusetzen, hat ihn.
Aber das, worum beim Zen geht, lässt sich nicht in 'Klartext' ausdrücken - das ist eine der ersten und vielleicht wichtigsten Lektionen. Diesem Kern kann man sich sprachlich (und hier im Forum sind wir auf Sprache beschränkt) allenfalls andeutend annähern. Sicher, da gibt es 'Insider', die sich mit einem zen-spezifischen Zeichensystem verständigen, das auf 'Fachausdrücken' und auf der Koan-Literatur beruht - die man dazu natürlich erst einmal einigermaßen kennen muss. Im Forum hier kommt das allerdings recht selten vor und wenn, dann ist dies zumeist an einzelne Personen gerichtet. In der Regel wird hier allerdings gerade von 'Insidern' eine für Zen-Verhältnisse verhältnismäßig offene Sprache geführt.
Offene Sprache, 'Klartext', wie Digne es nennt, birgt allerdings die Gefahr in sich, dass sie leicht als 'eigentlich' genommen wird. So werden Missverständnisse vorprogrammiert. Im Zen wird dies mit der Warnung 'pu shuo po'(不說破), 'nicht (zu) offen sprechen' ausgedrückt.
Man sehe sich die kürzlich hier gestellten Fragen und Antworten an. Als Kaiser Wu Bodhidharma fragte, wer denn das da vor ihm sei, antwortete der "ich weiss es nicht". Bodhidharma ist jenseits von Fragen und Antworten. Ein Mipooh - wäre er dabei gewesen - hätte vermutlich einen langen Vortrag in 'Klartext' gehalten und dabei deutlich darauf hingewiesen, dass eine Antwort wie die Boddhidharmas nur von einem Dummkopf stammen könne, der mit 20 schon geistig in Rente gegangen ist. Sicher ist die Antwort Bodhidharmas für einen Neuling (Kaiser Wu war allerdings keiner) nicht sehr hilfreich, und deswegen bemühen sich hier manche um unsinnige, aber vielleicht(!) hilfreiche Antworten auf irrelevante Fragen - 'man lässt sich ins Gras fallen'. 'Klartext' mag eine Frage beantworten - hilfreich ist er, soweit es um Zen geht, in den seltensten Fällen.
Es mag dem Neuling lästig oder sogar überflüssig erscheinen, aber Zen hat wie andere Gebiete auch seine eigene Hermeneutik. Es hilft wenig, da über "typische Verhaltensmuster" zu lamentieren, das ist gar nicht der Punkt der Sache. Genauso könntest man sich darüber beschweren, dass sich Musiker oder Naturwissenschaftler so unverständlich über ihr Gebiet äußern. Wenn man Zen nicht nur üben, sondern auch 'verstehen' will (was übrigens durchaus nicht notwendig und in letzter Konsequenz auch gar nicht möglich ist), dann kommt man nicht umhin, sich ein wenig mit dieser Hermeneutik zu beschäftigen.
Vor dem 'Klartext' eines Mipooh, der so wortreich Anderen hier im Forum 'Dummheit' und andere Defizite vorwirft, kann ich nur warnen. DAS ist es nicht. Um einen der von Digne so ungeliebten Zen-Ausdrücke zu benutzen: Das ist nichts anderes, als den Affen zu füttern.
Freundliche Grüße,
Ralf
Der Respekt die Verehrung für Ältere und insbesondere für Lehrer wird (oder wurde) in den östlichen Kulturen sehr viel deutlicher gezeigt und bereitwilliger gegeben als bei uns, was bei Dir vielleicht ein Missverständnis ausgelöst hat. Ich finde, wir Europäer könnten uns ruhig davon eine Scheibe abschneiden; vielleicht ginge es dann an unseren Schulen etwas anders zu.
Was das mit 'Zen-Philosophie' zu tun haben soll, vermag ich allerdings nicht zu sehen.
Was die "Idee der Reinkarnation" angeht, so ist dies keine zen-spezifische, nicht einmal eine buddhistische Idee. Sie findet sich ursprünglich im gesamten indischen, aber auch im abendländischen Kulturkreis (z.B. bei Pythagoras, noch der Kirchenvater Origenes vertrat eine Reinkarnationslehre). Die buddhistische Auffassung von Reinkarnation unterscheidet sich allerdings erheblich von anderen. Da der Buddhadharma nämlich die Existenz einer Seele oder eines Persönlichkeitskernes bestreitet, gibt es auch nichts, das sich re-inkarniert (wieder-inkarniert). Es gibt allerdings karmisches Wirken über den Tod hinaus, das Neu-Inkarnationen bedingt. Das ist etwas anderes als die Metempsychose (Seelenwanderung) etwa bei den Hindus, wo der Vergeltungsaspekt eine große Rolle spielt - jedenfalls kein Argument für eine "universale Messlatte".
Ich vermute, dass Du da hinduistische und buddhistische Auffassungen verwechselst bzw. gleichsetzt, ein sehr häufiger Irrtum übrigens. Wenn Du Dir Dein eigenes Leben anschaust, wirst Du feststellen, dass dieses in vielerlei Hinsicht durch karmische Ursachen, die vor Deiner Geburt liegen, bestimmt ist. Du bist in eine bestimmte Familie, in ein soziales und kulturelles Umfeld, in eine bestimmte historische Situation hineingeboren und Du hast eine bestimmte genetische Ausstattung. Das alles sind karmische Faktoren, willentlich erzeugte Bedingungen Deiner Existenz. Natürlich nicht durch Deinen persönlichen Willen erzeugt, aber das behauptet auch der Buddhadharma nicht. Dazu braucht man keine Sünde zu bemühen und keine Seelenwanderung und schon gar keine universale Messlatte.
Im übrigen - um auf 'Zen-Philosophie' zurückzukommen - ist gerade Zen diejenige buddhistische Schule, die sich am allerwenigsten für diesen Reinkarnationskram interessiert. Da geht es um Erwachen hier und in diesem Leben.
Freundliche Grüße,
Ralf
P.S.: Wenn Deine Argumentation künftig nicht etwas substanzieller ist, werde ich mir nicht mehr die Mühe machen, darauf zu antworten. Dann läge nämlich die Vermutung nahe, dass Du lediglich ein durchreisender Missionar bist, der hier ein paar Provokationen loswerden will.