Da Sigrid offenbar Allmans Behauptung, bei dem Begriff ‚Leere’ handle es sich um einen Übersetzungsfehler, glaubhaft findet (nichts ist ansteckender als der Irrtum), hier eine kleine Begriffsklärung.

空 - Chin. kōng, Jap. kū
mögliche Bedeutungen:
1. Himmel oder Raum
2. unfruchtbar oder steril
3. Leere

Im buddhistischen Kontext steht 空 in der Regel für den Sanskritausdruck śūnyatā. Himmel/Raum entspräche Skt. ākāśa und unfruchtbar/steril Skt. vandhya. Manchmal wird, wenn aus dem Zusammenhang nicht eindeutig hervorginge, welche Bedeutung 空 zukäme, śūnyatā stattdessen auch phonetisch mit 舜若多 wiedergegeben (Chin. shùn ruò duō, Jap. shun nya ta).

Man kann nun die Frage stellen, ob śūnyatā mit dem Schriftzeichen 空 für Leere sinnvoll wiedergegeben ist. Das Monier-Williams Sanskrit Dictionary gibt für śūnyatā als mögliche allgemeine Bedeutungen:
1. emptiness (Leere)
2. loneliness, desolateness (Einsamkeit, Verlassenheit).

Die Übersetzung śūnyatā - 空 - Leere ist also formal durchaus korrekt. Allenfalls könnte in Frage gestellt werden, ob diese Übersetzung sinnvoll ist. Natürlich ist semantisch zu unterscheiden zwischen śūnyatā als Begriff des allgemeinen Sprachgebrauchs und śūnyatā als philosophischem Konzept im Zusammenhang von Buddhas Lehre.

Bereits von Anbeginn an war śūnyatā (im Zusammenhang mit der anatman-Doktrin) ein zentraler Begriff in der buddhistischen Lehre (vgl. z.B. Palikanon SN 35,85: "Leer ist die Welt, leer ist die Welt...."). Entwickelt und ausgebaut wurde die Lehre von śūnyatā zunächst von der (Hinayana-)Schule der Satyasiddhi. Ein noch größeres Gewicht bekam diese Lehre durch die Prajñāpāramitā-Sutren und Nagarjunas Madhyamaka-Philosophie im Mahayana und dem zum Mahayana gehörenden Chan / Zen.

Dies ist nicht der geeignete Ort, die äußerst komplexe Lehre von śūnyatā in Einzelnen darzustellen. Ganz knapp (zur Rechtfertigung der Übersetzung mit ‚Leere’) sei lediglich darauf hingewiesen, dass śūnyatā vor allem die Negation zweier falscher Ansichten bedeutet: der Ansicht von der tatsächlichen Existenz eines Persönlichkeitskerns (Ich/Seele) und der Ansicht, den Erscheinungen liege ein nicht-bedingter Wesenskern zu Grunde. Die aus der europäischen Philosophie bekannte Unterscheidung zwischen Substanz und Akzidens, zwischen Erscheinung und ‚Ding an sich’, kennt Buddhas Lehre nicht. Der Mensch und alle Dinge (dharmas) sind leer von einem Eigensein (svabhāva-śūnya), d.h. von eigenständiger, nicht-bedingter Existenz. Die Leere 空 ist kein ‚Nichts’ (虛無, xū wú / komu), aber eben auch kein ‚Sein’ (有, yǒu / yū) sondern steht für die ‚letzte Realität’, die notwendig leer von jeder (begrifflichen oder sonstigen) Bestimmung ist und sowohl 'Sein' als auch 'Nichts' transzendiert.

Dem theoretisch Interessierten sei neben dem Herz- und dem Diamantsutra vor allem Nagarjunas Mulamadhyamakakarikas zum Studium empfohlen. Dem ernsthaft Zazen-Praktizierenden wird sich die Bedeutung von Leere so oder so – ob mit oder ohne theoretisches Studium - erschließen.
/"; // _paq.push(['setTrackerUrl', u+'piwik.php']); // _paq.push(['setSiteId', 3]); // var d=document, g=d.createElement('script'), s=d.getElementsByTagName('script')[0]; // g.type='text/javascript'; g.async=true; g.defer=true; g.src=u+'piwik.js'; s.parentNode.insertBefore(g,s); // })(); // // ?>