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Ralf54:
Hallo f6,
es wäre vielleicht hilfreich, wenn Du Dich etwas darüber auslassen würdest, was genau Dich an meinem Beitrag so stört, dass Du laut 'Sakrileg!' schreist. Sind es die Worte 'Schlabberlatz' und 'Dachlatte' für das Rakusu und den Kyosaku?
Wenn Du genau hinschaust, ging es ja gar nicht darum, sich über "jahrhunderte alte Traditionen und erprobte Methoden" lustig zu machen, sondern um das Haften an diesen Traditionen und Methoden. Nichts Heiliges ...
wie wunderbar ist dieses gewand der befreiung
wie ein feld, das vor glück und grosser freude überquillt
des tathagata lehren verehrend
geloben wir alle fühlenden wesen zu retten
Wenn Du das Takkesage verwirklichst, musst Du dann noch die Kesa oder das Rakusu anlegen? Nicht, dass irgend etwas dagegen spräche, doch dann trägst Du die Kesa bereits - auch wenn sie vielleicht eher wie ein T-Shirt aussieht. Und wenn nicht, wenn Du bei der Rezitation des Takkesage nur ein paar japanische Silben vor Dich hin plapperst, dann ist das Tragen des Rakusu nur Mummenschanz, eine exotische Verkleidung, ein Schlabberlatz.
Wenn ich mich über irgend etwas lustig gemacht habe, dann über Attitüden, nicht über Traditionen. Woher Deine wütende Reaktion?
Ralf54:
Hi Ken,
Deinen Ausführungen zum Thema Zen-Purismus gebe ich grundsätzlich recht :-) - auch wenn ich eher Huang-po zustimmen möchte, dass es zwar Zen gibt, aber keine Zen-Meister (wer 'meistert', wer 'lehrt' Zen?).
Ich weiss nicht so recht, was Du unter 'Zen-Purismus' verstehst.
Wer im Spagat auf zwei Booten stehend den Fluss überqueren will, fällt mit ziemlicher Sicherheit ins Wasser.
Wer allerdings glaubt, Zen sei nur echt, wenn man die Robe (oder doch zumindest den Schlabberlatz) trägt und einem beim Dösen im Dojo eins mit der Dachlatte übergezogen wird - dem fehlt besagte Latte im Gebälk.
Ralf54:
Hallo Dôan,
die Angebote des Esoterikmarktes zielen grundsätzlich auf die selben menschlichen Bedürfnisse (besser: Defizite) wie die Heilsversprechen der klassischen Religionen (Zen inklusive) - doch haben sie ihre sehr eigentümliche Art, sie zu erfüllen (oder eben auch nicht). Trotz des beliebten Etiketts "uralte Weisheit" handelt es sich in der Regel um ausgesprochen modern recycelte, marktgerecht entworfene Produkte.
Der Warencharakter des Ganzen ist unübersehbar - jeder kann sich aus den im spirituellen Supermarkt frei verkäuflichen und miteinander problemlos kompatiblen Sinn- und Unsinnsbrocken sein eigenes Religionssurrogat oder einen erleuchteten Lifestyle zusammenrühren. Die geforderte Hingabe an den oder die Lebensberater ist dann schnell als auf Produktbindung gezielte Marketingstrategie entlarvt. Interessant übrigens, dass der Trend analog zum 'Lebensabschnittspartner' hin zum 'Lebensabschnittslebensberater' geht - so wie man sich gelegentlich die Wohnung neu einrichtet und dabei dann auch am Besten Ehepartner und Haustier auswechselt.
Der Erfolg und die Wachstumsraten dieses Marktsegments verdanken sich in erster Linie dem Eingehen auf Erwartungshaltungen - es ist sehr viel bequemer, eine halbe Stunde Tarotkarten zu legen, als in dieser Zeit Zazen zu praktizieren (eine 'Schule' hier in der Region inseriert mit dem Werbeslogan: 'Meditationen, die Spass machen'. Das ist es, was Zen so öde macht - Zazen macht einfach keinen Spass).
Da lohnt sich allemal die Ausgabe für das Kartenspiel (womöglich von Osho oder einem anderen Menschheitslehrer persönlich designt) und das zugehörige Buch und/oder Video. Schließlich läuft ja eh alles auf das Selbe hinaus. Eine Beratung beim Feng-Shui-Geomanten ist zwar teurer als ein Dokusan - dafür hat man mit der Bezahlung der Beratungsgebühr dann aber auch schon alle Erwartungen erfüllt, die an einen gestellt werden könnten. Für vergleichsweise bescheidene Beträge kann man sich zum Wünschelrutengänger, Geistheiler oder Kaffeesatzleser ausbilden lassen (Franchising wird in der Szene immer beliebter) und so ggf. Minderwertigkeitsgefühle kompensieren. Man ist dann zwar nicht der Papst oder der Dalai Lama aber immerhin mindestens doppelt so spirituell wie der im Grobstofflichen verhaftete Nachbar ...
Wer nicht ganz so weit gehen will und/oder seinen Geldbeutel etwas zurückhaltender öffnet, dem kann man zumindest Bücher andrehen. Mit dem, was in einem Jahr in der Sparte Esoterik und Verwandtes (und da zähle ich ohne zu zögern die meisten Veröffentlichungen über Buddhismus dazu) neu auf dem Buchmarkt erscheint, könnte man sämtliche Heilige und Gurus der Menschheitsgeschichte totschmeissen, selbst ohne auf Thich Nath Hanhs gesammelte Werke zurückgreifen zu müssen.
Wenn schon Liebe, Freundschaft, Glück, Gesundheit, Gerechtigkeit usw. zu Waren verkommen sind, warum dann nicht auch Weisheit, Prajna, spirituelles Wachstum? Wen kümmert es schon, dass da nur Mogelpackungen und potemkinsche Dörfer verkauft werden - Wert ist Marktwert, was sonst. Das Image, der Schein zählt - nicht das Sein. Das Sein ist ohnehin leer, da sollte zumindest die Oberfläche einen bunten Anstrich tragen.
Unter solchen Umständen verwundert es nicht, dass auch 'Zen' (meist in homoöopathischer Verdünnung) als wohlfeiles Versatzstück herhalten muss - ob die September-Ausgabe der Cosmopolitan bestimmte Sexualpraktiken als Zen-Sex anpreist (da hat uns Bodhidharma doch glatt etwas verschwiegen ...) oder ob ein Buch namens 'Zennis' eine bessere Rückhand beim Tennis mit Hilfe von Zen-Methoden verspricht. Um nur zwei besonders schwachsinnige Beispiele herauszugreifen.
Wie geht man da als Praktizierender mit den allfälligen Missverständnissen um? Am Besten mit Humor. Irrationalen Schwachsinn und Etikettenschwindel behandelt man am Besten so, wie sie es verdienen - mit Hohn und Spott. Und wenn man es fertig bringt, auch ein wenig darüber zu lachen, dass man eine Menge Zeit damit verbringt, die Wand anzustarren (eine - sind wir ehrlich - doch recht alberne Methode), ist das auch in Ordnung so.
Ralf54:
Lieber Thomas,
als Joshu fragte, was der Weg sei, sagte Nansen: "Alltäglicher Geist ist der Weg." Joshu fragte: "Sollen wir uns ihm eifrig zuwenden oder nicht?" Nansen sprach: "Wenn du dich ihm zuwendest, wendest du dich zugleich von ihm ab."
Lassen wir für heute den Rest der Geschichte mal auf sich beruhen.
Glück auf den Weg,
Ralf
Ralf54:
Natürlich hat Roland recht, dass "Gerechtigkeit", "Liebe" und "Rache" nur leeres Wortgeklingel ist. Trotzdem, lassen wir die Wörtchen mal klingeln.
Stufe 1: Gerecht ist, was mir Lust verschafft und Schmerz vermeidet.
Stufe 2: Gerecht ist, was mir Vorteile bringt und Nachteile vermeidet unter der Einschränkung, daß mein Gegenüber nach dem gleichen Prinzip handeln darf.
Stufe 3: Gerecht ist, was die berechtigten Erwartungen meiner konkreten Interaktionspartner erfüllt.
Stufe 4: Gerecht ist, was dem Erhalt des Systems dient, innerhalb dessen ich agiere.
Stufe 5: Gerecht ist, was der Realisierung der allgemeinen Menschenrechte dient.
Stufe 6: Gerecht ist, was von allen vernünftigen Wesen zwanglos akzeptiert werden kann.
Soweit Lawrence Kohlbergs mE recht brauchbares Modell der Entwicklung moralischer Urteilskompetenz. Diese Entwicklung setzt etwa im Alter von 4 Jahren ein - und manche Menschen sind noch mit 90 Jahren nicht über Stufe 1 hinaus gekommen.
Wenn es etwas gibt, das von allen vernünftigen Wesen zwanglos akzeptiert werden kann, dann ist es Liebe. Liebe ist höchste Gerechtigkeit.
Rache mag in den Stufen 1 bis 4 ein Aspekt (unter vielen) sein - der primitiven Vorstellung folgend, Gerechtigkeit sei ein Gut, das ausgeglichen werden könne. Der Racheaspekt ist nicht mehr als Anzeichen von Unreife - Anzeichen eines unterentwickelten Verständnisses von Gerechtigkeit.
Freundliche Grüße,
Ralf
Ralf54:
Hallo Oma,
auf das Buch "Zen, Nationalismus und Krieg", engl. "Zen at war" von Brian Victoria ist wohl in jedem Zen-Diskussionskreis (dieser hier eingeschlossen) schon mehrfach hingewiesen worden. Die Lektüre ist jedem, der sich mit Zen ernsthaft beschäftigt, zu empfehlen.
Das Thema des Buches ist allerdings mE nicht (zumindest nicht vordergründig) Zen und Gewalt, sondern zum Einen Zen und Institutionen und zum Anderen Zen und Bushido. Beides - vor allem Letzteres - sind problematische Allianzen. Ich hatte in meinem Beitrag gestern schon angedeutet, dass Zen und Gewalt ("altruistische Gewalt") ein äußerst glattes Eis ist - auf dem etliche hochgeschätzte Meister offensichtlich ausgerutscht und Leute wie Kodo Sawaki oder D.T. Suzuki zumindest ins Schlingern gekommen sind. Ob diese Leute das Koan von Nansens Katze wirklich gelöst hatten ....
Das ist jetzt natürlich nur die vorlaute Meinung eines Amateurs ...
Eine wichtige Lehre, die aus dem Buch zu ziehen ist, ist die, dass spirituelle Kompetenz durchaus nicht gleichbedeutend mit sozialer oder politischer Kompetenz sein muss. Das soll keine Entschuldigung oder Rechtfertigung sein, sondern ein Verweis auf mögliche Defizite bei vermeintlich oder tatsächlich erleuchteten Meistern.
Freundliche Grüße,
Ralf
Ralf54:
Hallo Thorsten,
Du weist zu Recht darauf hin, dass Gewalt - ob gegen Andere oder gegen sich selbst gerichtet - in sehr subtiler Form auftreten kann. Dieses birgt zunächst die Schwierigkeit einer allgemein akzeptablen Definition von Gewalt. Viele würden z.B. das Wachstum einer Blume oder übertriebene Askese nicht unter die Kategorie "Gewalt" einordnen. Es fragt sich, ob wir dem Begriff "Gewalt" nicht seine Schärfe nehmen, wenn wir ihn so weit (ähnlich wie Schopenhauers "Wille") auffassen.
Ich denke, es ist hilfreich, wenn wir uns dieser Problematik mit Hilfe des (buddhistischen) Karma-Begriffs nähern. Man könnte dann "Gewalt" als eine Extremform karmisch wirksamen Handelns definieren. Zwar bliebe die Grenze zwischen "extremem" und "normalem" Handeln unscharf, doch würden wir der emotionalen Besetzung des Begriffs "Gewalt" damit Rechnung tragen. Diese Grenze existiert ja auch nicht tatsächlich; es ist kein grundsätzlicher Unterschied, ob wir eine Stechmücke totschlagen, die uns sticht, oder einen Menschen, dessen Hautfarbe uns nicht gefällt. Sicher sind die Unterschiede in der karmischen Verstrickung erheblich, aber eben nur graduell.
Aus dem Gesagten ergibt sich auch die allgemeine Tendenz des Handelns im Sinne buddhistischer oder Zen-Praxis: Achtsamkeit auf die Motivation des Handelns, da es die (eigennützige) Absicht des Handelns ist, die karmische Verstrickung, die An- und Verhaften erzeugt. Es gilt, den eigenen Geist zu beobachten. Die aufsteigenden Emotionen, Wünsche und Absichten als Geistesgifte, als Formen von Gier, Hass und Verblendung zu erkennen. Das ist im alltäglichen Handeln nicht anders als beim Zazen.
Unter Beachtung dieser Voraussetzungen ist theoretisch durchaus ein Handeln vorstellbar, das den äußerlichen Anschein von Gewalt erweckt, jedoch karmisch neutral (womöglich sogar Karma auflösend) ist - ich möchte es einmal "altruistische Gewalt" nennen ("legitime Gewalt" ist ja wohl nicht das Thema hier). Ein sehr problematisches Modell (Guteis Finger, Nansens Katze). Dogen sagt: "Wenn auch nur eine Haaresbreite Unterscheidung existiert, ist die Kluft wie die zwischen Himmel und Erde. Ist einmal auch nur die geringfügigste Zuneigung oder Abneigung aufgestiegen, ist alles verwirrt und der Geist verirrt."
Das soll nun kein Plädoyer dafür sein, überhaupt nicht zu handeln. Auch ist es in einer Situation, die evt. Nothilfe oder Notwehr erforderlich macht, üblicherweise nicht möglich, zunächst einmal über die möglichen Ursachen und Konsequenzen sowie den angebrachten Grad einer Gewaltanwendung zu meditieren - und wohl die wenigsten (mich eingeschlossen) haben ihren Geist wirklich ständig unter Beobachtung. Aber es geht ja auch nicht darum, nichts "Unüberlegtes" zu tun, sondern darum, spontan ohne Vorliebe für ein illusorisches Selbst zu handeln. Diese Art des Handelns reift mit fortschreitender Übung heran.
Also keine konkreten Empfehlungen zu richtigem, "zen-mässigem" Handeln (sorry). Lediglich ein Lichtblick; oder wie es f6 formuliert: "Durch Zazen erhält man die Weisheit, die es ermöglicht, in der konkreten Situation das Richtige zu tun."
Freundliche Grüße,
Ralf
Ralf54:
Als Zeichen der Übertragung der 'Patriarchenwürde' (also der Ernennung zum Nachfolger als Oberhaupt einer Schule oder Linie) galt oder gilt im Zen insbesondre die Weitergabe der Kesa (Mönchsrobe). Dies hat Hui-neng nie getan, daher gab es nach ihm keinen 'Patriarchen des Zen' mehr, allenfalls Patriarchen bestimmter Linien.
Freundliche Grüße,
Ralf
Ralf54:
Hi Nina,
'schrittweise loslassen' ist gut. Aber wer den zweiten Schritt vor dem ersten tut, riskiert, auf die Schnauze zu fallen.
Wenn Du am anderen Ufer bist, kannst Du das Floß zu Kleinholz hacken und dir an dem Feuerchen die Knochen wärmen. Unterwegs das Floß in Brand zu stecken, ist nicht gerade clever.
Freundliche Grüße,
Ralf
Ralf54:
Leo Buscaglia erzählt in seinem Buch "Leben lieben lernen" eine Geschichte, wie er mit seinem japanischen Zen-Lehrer in einem Bambusgarten spazierenging und dabei unablässig über alles mögliche quasselte, bis ihm sein Lehrer, sonst ein sehr sanfter und zartfühlender Mann, kräftig auf den Mund schlug. Fassungslos und mit blutiger Lippe fragte er ihn, warum er das getan habe. Die Antwort war: "Trampeln Sie mit ihren schmutzigen Füßen nicht in meinem Kopf herum!"
Freundliche Grüße,
Ralf
Ralf54:
Ich halte es auch für etwas problematisch, das chin. 'Tsung' bzw. jap. 'Shu' mit 'Sekte' zu übersetzen. 'Schule' oder 'Fraktion' wäre vielleicht passender, da sich die buddhistischen 'Sekten' i.d.R. nicht gegenseitig die Orthodoxie oder die Eignung absprechen, zur Befreiung aller fühlenden Wesen beizutragen. Sicher gibt es auch Ausnahmen. So gibt es etwa von Nichiren den Ausspruch:
'Nembutsu mugen, Zen tenma, Shingon boukoku, Ritsu kokuzoku' - Nembutsu ist Hölle, Zen ein bösartiger Dämon, Shingon nationaler Ruin und Ritsu Verrat.
Aber solches 'Sektierertum' ist, wie gesagt, eher die Ausnahme.
Freundliche Grüße,
Ralf
Ralf54:
Im China der T'ang-Dynastie entstanden fünf Schulen des Ch'an, die ihre Linie alle auf den sechsten Patriarchen Hui-Neng (638-713) zurückführen. Von diesen 'Fünf Schulen, sieben Häusern' überstanden lediglich die T'sao-Tung - (jap. Soto) und die Lin-Chi - (jap. Rinzai) Schule die Zeiten. Rinzai hatte zwei Hauptlinien, Huang-lung (Oryo) und Yang-chi (Yogi) (daher 'sieben Häuser').
Soto und Rinzai führen ihre Linien jeweils auf einen Dharma-Erben Hui-Nengs zurück, auf Ching-yuan Hsing-ssu (660-740) und Nan-yueh Haui-jang (677-744). Unterschiede in der Art der Schulung zeigten sich bereits bei deren größten Schülern: Shih-t'ou Hsi-ch'ien (700-790) und Ma-tsu Tao-i (709-788). Die eigentlichen Schulgründer waren deren 'Urenkel' Tung-shan Liang-chieh (806-869) mit seinem Schüler Ts'ao-shan Pen-chi (840-901) respektive Lin-Chi (? - 866).
Die T'sao-Tung / Soto - Schule wurde von Dogen Kigen (1200 - 1253) nach Japan übertragen; die Lin-Chi / Rinzai - Schule der Huang-Lung / Oryo - Linie von Eisai (1141-1215). Die Oryo / Eisai - Linie starb allerdings recht früh aus, das japanische Rinzai geht auf verschiedene chinesische und japanische Meister zurück, die im 13. und 14. Jahrhundert die Yang-Chi / Yogi - Linie in Japan etablierten.
1654 übertrug dann Yin-Yuan, jap. Ingen (1592-1673) eine weitere chinesische Lin-Chi-Linie nach Japan, die sich nach Lin-Chis Lehrer Huang-Po (jap. Obaku) die Obaku-shu nennt.
Neben diesen 'klassischen' japanischen Zen-Sekten existiert weiterhin der zeitgenössische Buddhismus chinesischer Prägung, in dem die Ch'an-Tradition eine wichtige Rolle spielt. Sie ist dort mit anderen Traditionen, vor allem der Amida-Verehrung (Reines Land), verschmolzen. Dieser Prozess setzte spätestens während der Ming-Dynastie ein, und auch die Obaku-Schule trägt deutliche Spuren davon. Außerdem gibt es die koreanische Seon- und die vietnamesische Thien-Sekte, über die ich allerdings nur sagen kann, dass auch sie sich von der Lin-Chi-Schule ableiten.
In Japan eine Zuordnung zu Sekten oder auch nur zu einer bestimmten Religion zu treffen, ist schwierig, da sich vor allem Shinto und Buddhismus gegenseitig nicht ausschließen und es keine offizielle Registrierung (z.B. für eine Kirchensteuer) gibt. Schätzungsweise 84 % der Bevölkerung können im weitesten Sinne als buddhistisch gelten. Es gibt 28 von der Regierung anerkannte buddhistische Sekten, wobei auf Tendai, Nichiren, Shingon und Jodo zusammen ca. 88 % und auf Zen etwa 8 % entfallen - was eine Schätzung von ca. 8,4 Millionen Zen-Anhängern in Japan ergibt. Davon wiederum entfallen 6,8 Millionen auf Soto- und 1,6 Millionen auf Rinzai-Anhänger. Die Obaku-Schule ist zumindest in statistischer Hinsicht bedeutungslos. Dieses Verhältnis spiegelt sich auch im Westen in etwa wieder, wobei im Westen außerdem eine in Japan eher unbedeutende Zen-Laienorganisation eine sehr große Rolle spielt: die Sanbo Kyodan oder Harada-Yasutani-Schule. Diese Schule hat ihre Wurzeln sowohl im Soto- wie im Rinzai-Zen und versucht (wenn ich es richtig verstanden habe) beide Traditionen zu verbinden. Viele bekannte westliche Lehrer (vor allem solche mit christlichem Hintergrund) kommen aus dieser Schule.
Die unterschiedlichen Traditionen resultieren natürlich in getrennten organisatorischen Strukturen. Außerdem gibt es Unterschiede im Ritual und in den 'Mönchsregeln'. Unterschiede in der Praxis sind möglicherweise weniger gravierend, als oft angenommen. Dafür hat der rege Austausch zwischen beiden Schulen gesorgt. Es war und ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass ein junger Mönch während der 'Angya', der Pilgerreise, Klöster beider Richtungen aufsucht und sich dort schult. Dies ist ehrwürdige Tradition - es gibt etliche Geschichten darüber, wie sich schon Ma-tsu und Shih-t'ou gegenseitig Schüler zusandten. Sicher wird im Rinzai mehr (oder häufiger) Wert auf Kanna, die Praxis des 'Schauens auf ein Koan' gelegt, während im Soto vorwiegend das 'Shikantaza', 'nichts als treffend Sitzen' geübt wird. Das heisst nicht, dass es im Soto keine Koan oder im Rinzai kein Shikantaza gibt ... Vielleicht könnte man sagen, im Rinzai sei der Zugang dynamischer. Von Wolfgang (Layman Ho) habe ich einmal einen guten Vergleich gehört:
Um in eine belagerte Stadt zu kommen, versuchen Rinzai-Leute, die Tore aufzubrechen, die Mauern einzureißen und die Stadt zu erstürmen. Die Soto-Leute dagegen lassen sich vor der Stadt nieder, bauen Gemüse an und verkaufen es dann auf dem Marktplatz der Stadt ...
Animositäten ... nun, auch Zen-Leute sind Menschen. Häufig Menschen, die zu scharfer Kritik neigen. Ja, und (zu) profan sind Deine Fragen mE nicht.
Ralf54:
Hallo Thorsten,
wenn es denn auch englisch sein darf:
Miura, Isshu and Sasaki, Ruth Fuller
Zen dust - the history of the koan and koan study in Rinzai (Lin-chi) Zen
New York: Harcourt, Brace & World, Inc.,1966 - 1989
oder
Bielefeldt, Carl
Dogen's Manuals of Zen Meditation
Berkeley: The University of California Press, 1988. (ISBN 0-520-06835-1).
Je nachdem, ob Du Dich über Kanna oder über Shikantaza etwas näher informieren willst. Wenn es Dir weniger ums Lesen als um das Nachdenken über das Gelesene geht, ist vielleicht ein vom Umfang her etwas schmaleres Bändchen angebracht, das dafür um so mehr Inhalt zu bieten hat und zu den indischen Wurzeln des Zen führt:
Weber-Brosamer, Bernhard; Back, Dieter M
Die Philosophie der Leere
Nagarjunas Mulamadhyamaka-Karikas
Übersetzung des buddhistischen Basistextes mit kommentierenden Einführungen
Wiesbaden: Harrassowitz 1997.
Ralf54:
Im Normalfall werden Lehrer von ihren Lehrern nach sorgfältiger Prüfung zu solchen ernannt - ob im Schuldienst oder im Zen. Deshalb macht es schon Sinn, auch nach dem 'Stammbaum' eines Lehrers zu fragen. Aber das betrifft eigentlich nur die Befähigung. Eine notwendige Voraussetzung ist die 'Ernennung' nicht.
Tatsächlich zum Lehrer wird man durch Schüler, die man sich entweder sucht oder nicht abweist, wenn sie einen gefunden haben. Im Zen ist eher Letzteres üblich. Dazu muss man sich nicht unbedingt Lehrer nennen.
Wenn Du über einen Lehrer etwas wissen willst, ist es einfachsten, Du erkundigst Dich nach seinen Lehrern und schaust Dir seine Schüler an. Vermeide dabei, Quantität als ein Kriterium zu sehen.
Ralf54:
him hangfang war das wort hund das wort war bei
gott hund gott war das wort hund das wort hist fleisch
geworden hund hat hunter huns gewohnt
him hanflang war das wort hund das wort war blei
flott hund flott war das wort hund das wort hist fleisch
gewlorden hund hat hunter huns gewlohnt
schim schanflang war das wort schund das wort war blei
flott schund flott war das wort schund das wort schist
fleisch gewlorden schund schat schunter schuns gewlohnt
schim schanschlang schar das wort schlund schasch wort
schar schlei schlott schund flott war das wort schund
schasch fort schist schleisch schleschlorden schund
schat schlunter schluns scheschlohnt
Ralf54:
Hallo Heinz,
welchen Sinn hätte dies? Die Theravadin wissen von der ersten Predigt Shakyamunis zu berichten, die er nach seinem Erwachen im Hirschpark von Bodhgaya hielt, und von seiner letzten Predigt, bevor er in Kushinagar in die Verwandlung einging - und von hunderten von Predigten dazwischen.
Doch wir Zen-Leute wissen es besser. Shakyamunis letzte Worte waren: "Von Bodhgaya bis Kushinagar sprach ich nicht ein einziges Wort."
Im Shushôgi heisst es:
"Die Buddhas verweilen ständig darin, sie verschwenden keinen Gedanken an die verschiedenen Aspekte; Wesen funktionieren lange Zeit darin, die Aspekte enthüllen sich nie in ihren verschiedenen Gedanken. Da verrichten das Land, die Gräser und Bäume, Zäune und Mauern, Ziegel und Kiesel, alle Dinge im Dharma-Reich der zehn Richtungen das Werk der Buddhas. "
Ralf54:
Wo wohl? Der Gockel schmettert stolz sein 'Kikeri' auf dem Misthaufen, während die Hühner im Dreck scharren, laut über ungelegte Eier gackern oder blind nach Körnern picken. Oben kreist der Habicht, hält Ausschau nach der lohnendsten Beute. Ländliches Idyll halt.
Vielleicht sieht das dumme Federvieh nicht die Gefahr, Leib und Leben zu verlieren - doch ist sie deshalb verborgen?
Hakuin: "Unmöglich, da Hand oder Fuß anzulegen!"
Shoju (packt seine Nase): "Ich hab's ganz gut im Griff!"
Ralf54:
Hallo Marco,
natürlich machst Du alles falsch ... wenn Du versuchst, aus Ratschlägen verschiedener Leute eine 'richtige' Methode zu konstruieren. Es gibt - vor allem, was den Umgang mit dem Atem angeht - etliche unterschiedliche Methoden, die man nicht vermengen sollte. Mein Rat: suche Dir einen vertrauenswürdigen Lehrer und halte Dich an die Methode, die er oder sie Dich lehrt.
Das folgende Zitat soll also Deine Verwirrung nicht vergrößern, sondern nur andeuten, wie man in der Soto-Schule praktiziert. Außerdem wird speziell auch das Hitzephänomen angesprochen, von dem du berichtest ('Wenn dein Körper fiebert ...'). Ich selbst kenne dieses Phänomen aus der Anfangszeit meiner Praxis noch sehr gut. Vielleicht noch ein kleiner Hinweis auf Grund eigener Erfahrungen: den Unterbauch spannen oder eine Spannung im Unterbauch wahrnehmen, sind zwei Paar Stiefel ... Übrigens sitze ich auch im Seiza, aber das nur nebenbei.
Das Zitat ist ein kurzer Ausschnitt aus Keizans Zazenyojinki, das zusammen mit Dogens Fukan Zazen Gi die Grundlage der Soto-Praxis ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Ralf
'Wenn dein Körper fiebert oder kalt ist, träge oder überaktiv, hart oder weich, schwer oder leicht, dann atmest du womöglich nicht richtig. Überprüfe deinen Atem auch, wenn dein Körper übermäßig erregbar ist. Du musst sicherstellen, dass du die ganze Zeit während des Zazen harmonisch atmest.
Benutze diese Methode, um den Atem zu harmonisieren: öffne für eine Weile deinen Mund, und wenn ein langer Atemzug kommt, atme lang; wenn ein kurzer Atemzug kommt, atme kurz. Harmonisiere allmählich deinen Atem und folge ihm auf natürliche Weise. Wenn die Zeitabstände leicht und natürlich werden, verlagere dein Atmen still zur Nase. Wenn Atem und Geist nicht übereinstimmen, treten bestimmte Symptome auf. Dein Geist sinkt ab oder steigt auf, wird undeutlich oder scharf, wandert außen im Raum oder innerhalb des Körpers herum, sieht Abbilder von Buddha oder von Bodhisattvas, gebiert verdorbene Gedanken oder versucht, die Lehren der Sutren zu verstehen. Wenn diese Symptome bei dir auftreten, heisst das, dass dein Geist und dein Atem nicht in Harmonie sind. Wenn du diese Probleme hast, lass deinen Geist zu beiden Fußsohlen sinken. Wenn der Geist sinkt, richte ihn auf den Haaransatz und zwischen die Augenbrauen. Wenn dein Geist aufgerührt ist, lass ihn auf der Nasenspitze oder im Solarplexus ruhen. Bei gewöhnlichem Zazen lege deinen Geist in deine linke Handfläche. Bei verlängertem Sitzen bleibt der Geist auch ohne dies auf natürliche Weise ungestört. Die alte Lehre legte Gewicht auf die Erleuchtung des Geistes, aber schenke dem nicht zu viel Beachtung.'
es wäre vielleicht hilfreich, wenn Du Dich etwas darüber auslassen würdest, was genau Dich an meinem Beitrag so stört, dass Du laut 'Sakrileg!' schreist. Sind es die Worte 'Schlabberlatz' und 'Dachlatte' für das Rakusu und den Kyosaku?
Wenn Du genau hinschaust, ging es ja gar nicht darum, sich über "jahrhunderte alte Traditionen und erprobte Methoden" lustig zu machen, sondern um das Haften an diesen Traditionen und Methoden. Nichts Heiliges ...
wie wunderbar ist dieses gewand der befreiung
wie ein feld, das vor glück und grosser freude überquillt
des tathagata lehren verehrend
geloben wir alle fühlenden wesen zu retten
Wenn Du das Takkesage verwirklichst, musst Du dann noch die Kesa oder das Rakusu anlegen? Nicht, dass irgend etwas dagegen spräche, doch dann trägst Du die Kesa bereits - auch wenn sie vielleicht eher wie ein T-Shirt aussieht. Und wenn nicht, wenn Du bei der Rezitation des Takkesage nur ein paar japanische Silben vor Dich hin plapperst, dann ist das Tragen des Rakusu nur Mummenschanz, eine exotische Verkleidung, ein Schlabberlatz.
Wenn ich mich über irgend etwas lustig gemacht habe, dann über Attitüden, nicht über Traditionen. Woher Deine wütende Reaktion?
Freundliche Grüße,
Ralf