--- Crossposting aus verschiedenen Listen/Foren; eine Initiative des DBU-Forums ---
Liebe Dharma-Freunde,
abseits der offiziellen Staats- und Trauerakte wollen wir, eine Gruppe von Menschen, die sich über das Internet über den Dharma austauschen, unsere Verbundenheit mit den Opfern der Flutkatastrophe in einer Gedenkfeier zum Ausdruck bringen.
Am Sonntag, dem 09.01. werden wir - jeder für sich, doch im Bewusstsein gemeinsamen Handelns - um 21.00 Uhr eine Kerze entzünden. Anschließend setzen wir uns, um unseren Geist zwei oder drei Minuten zu sammeln. Dann rezitieren wir das Metta-Sutta:
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Wem klargeworden, daß der Friede
des Herzens das Ziel seines Lebens ist,
der bemühe sich um diese Gesinnung:
stark sei er, aufrecht und gewissenhaft,
freundlich, sanft und ohne Stolz.
Genügsam sei er und zufrieden,
nicht viel geschäftig und bedürfnislos.
Die Sinne still, klar der Verstand,
nicht dreist, nicht gierig sein Verhalten.
Auch nicht im Kleinsten soll er fehlen,
wofür ihn Verständige tadeln könnten.
Mögen alle Wesen glücklich sein
und Frieden finden!
Was es auch an lebenden Wesen gibt:
ob stark oder schwach, ob groß oder klein,
ob sichtbar oder unsichtbar, fern oder nah,
geboren oder strebend nach Geburt:
mögen sie alle glücklich sein!
Niemand betrüge oder verachte
irgend einen anderen.
Aus Ärger oder Übelwollen
wünsche man niemandem irgendein Unglück.
Wie eine Mutter mit ihrem Leben
ihr einziges Kind beschützt und behütet,
so möge man für alle Wesen
und für die ganze Welt
ein unbegrenzt gütiges Gemüt erwecken,
ohne Haß, ohne Feindschaft, ohne Beschränkung
nach oben, nach unten und nach allen Seiten.
Im Gehen oder Stehen, im Sitzen oder Liegen
entfalte man eifrig diese Gesinnung:
dies nennt man Weilen im Heiligen.
Wer sich nicht an Ansichten verliert,
wer Tugend und Einsicht gewinnt,
dem Sinnengenuß nicht verhaftet ist
für den gibt es keine Geburt mehr.
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Wer sich bei lautem Rezitieren unwohl fühlt, der möchte bitte diesen Text mit vollem Bewusstsein und größter Aufmerksamkeit still für sich lesen. Wer möchte, ist eingeladen, danach noch die Universelle Verdienstübertragung zu rezitieren:
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Mit vollem Bewusstsein
haben wir dieses Sutra rezitiert.
Möge dieses Verdienst
sich universell auf Alle erstrecken,
so dass wir zusammen mit allen Wesen
den Buddha-Weg verwirklichen
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Danach werden wir eine halbe Stunde sitzen. Dabei wollen wir uns in der Entfaltung liebevoller Güte üben. Eine kurze Beschreibung der Metta-Meditation ist hier zu finden:
http://www.dhamma-dana.de/buecher/theravada/ajahn_plien_panyapatipo-metta.htm%263
Wir wollen versuchen, das so erzeugte Bewusstsein von Metta auf alle Wesen auszudehnen und besonders auf die lebenden und toten Opfer der Flutkatastrophe zu richten.
Wer es vorzieht, stattdessen seine gewohnte Übung durchzuführen, möge dies mit dem festen Willen tun, damit allen Wesen zu nützen.
Nach Ablauf einer halben Stunde stehen wir auf und löschen die Kerze.
Wir beginnen und wir beenden diese Übung mit einer Verbeugung aus Respekt vor den Opfern.
Wir versuchen, das durch diese Übung erzeugte Bewusstsein der Verbundenheit mit allen Wesen zu erhalten und zu nähren.
Gasshô,
SoGen
Shakyamuni Buddha hat den Dharma als ein Gesetz gelehrt - als ein Gesetz, das unabhängig von ihm selbst ist. Ein Gesetz, das schon Buddhas vor ihm entdeckt haben und das, wenn er selbst vergessen ist, wieder durch einen Buddha neu entdeckt werden wird. Das ist etwas anderes als der (mit Verlaub) gelinde Größenwahn solcher Sprüche: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich" (Joh. 14,4) oder "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben" (Joh. 11,25).
Wenn der Dharma also ein "Gesetz" ist, das unabhängig vom Lehrer existiert, dann ist es nicht verwunderlich, dass auch andere zumindest Teile davon unabhängig und für sich entdeckt haben. Das trifft auf eine Menge Leute zu, nicht nur auf den Rabhbi Jeschua.
Der Dharma, wie ihn Shakyamuni Buddha lehrte, besteht im Kern aus den Arya-Satya, den "Vier edlen Wahrheiten".
Die erste Wahrheit ist die von Duhkha - dass alles Sein unbefriedigend und letztlich leidvoll ist. Selbst angenehme Erfahrungen tragen durch ihre Vergänglichkeit den Kern der Leiderfahrung in sich; jede Erfahrung von Lust wird dadurch leidvoll, dass sie nicht andauert und nicht festgehalten werden kann. "Denn jede Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit", wie es Nietzsche formuliert. Eine "Erlösung" vom Leid (Moksha, Befreiung) gibt es daher nur durch Verlöschen des Seins (Nirvana); eine nicht-leidvolle Existenz (einen 'Himmel' oder ein 'Paradies'), sei es körperlich oder rein geistig, kann es nicht geben. Wo hat Jesus so etwas gelehrt?
Die zweite Wahrheit ist die von Samudaya, den Ursachen dieser Misere. 'Duhkha' ist bedingt durch Gier und Hass, durch Anhaftung und Abstoßung, die als letzte Wurzel wiederum Unwissenheit haben. Der Kern dieser Unwissenheit wiederum ist der Irrglaube an eine abgetrennte, unabhängige persönliche Existenz, einen Wesenskern, eine 'Seele'. Aus dieser Grundbedingung von Unwissenheit entsteht der Bedingungszusammenhang 'Pratityasamutpada', das bedingte Entstehen. Das ist ein zyklisches, sich selbst erhaltendes System von Bedingungen, Ursachen und Wirkungen, das ohne Schöpfergott auskommt. Es kennt keinen Beginn mit einer Schöpfung durch ein allmächtiges Wesen (erste Ursache) und kein Ende, keine Eschatolgie, mit Auferstehung für die Auserwählten und Hölle&Verdammnis für die anderen. Wo hat Jesus so etwas gelehrt?
Die dritte Wahrheit ist die von Nirodha, der Aufhebung des Leidens. Erlöschen die Ursachen, erlischt auch das Leiden. Der Ansatzpunkt ist in erster Linie das Anhaften; durch Auflösung des Anhaftens ist ein Loslösen vom Seinskreislauf Samsara, ein Loslassen möglich. Hier nun haben wir einen ersten schwachen Berührungspunkt mit der Lehre des Rabbi Jeschua (die im Ausgangsposting erwähnte 'Loslösung von allem Weltlichen') - aber auch mit jeder anderen religiösen und philosophischen Lehre, die Askese empfiehlt. Deutlich schwerer fällt allerdings nach meiner Auffassung ins Gewicht, dass nach Buddhas Lehre Nirodha nur durch eigene Anstrengung erlangt werden kann. Es ist absolut zwecklos, da auf die Gnade irgendeines Gottes zu vertrauen - und da gibt es auch keinen gottgesandten Messias, der sich freundlicherweise selbst opfert, um damit alle Wesen zu erlösen.
Die vierte Wahrheit ist die vom Arya-Marga, dem achtfachen Weg, der zur Aufhebung des Leidens führt. Dieser Weg, diese Handlungsanweisung, kann in drei Aspekte unterschieden werden: in Sittlichkeit (Shila), Weisheit (Prajna) und geistige Übung (Dhyana). Hier haben wir in der Sittlichkeit wieder Berührungspunkte mit der Lehre des Rabbi Jeschua - aber auch hier wiederum nicht nur mit seiner Lehre. Das Gebot allgemeiner Nächstenliebe z.B. war geistesgeschichtlich gesehen absolut nichts Neues; in China hatte es z.B. Mo Di (ca. 470-390 v. Chr.) eine Generation nach Shakyamuni (und ebenfalls unabhängig von ihm) verkündet. Auch hier wieder ein bedeutsamer Unterschied: im Dharma gründet sich die Sittlichkeit auf ihre Heilsamkeit in Hinsicht auf die Leidüberwindung, nicht auf göttliche Gebote und den Begriff von 'Sünde'.
Zu beachten ist außerdem, dass der achtfache Pfad vollständig praktiziert werden muss und dass er kein Stufenweg ist - er muss also in allen seinen Aspekten praktiziert werden. Selbst wenn es im Bereich der Weisheit noch den einen oder anderen Berührungspunkt gibt, so gibt es gerade hier sehr deutliche Unterschiede, die vor allem die 'Rechte Einsicht' betreffen. Es handelt sich vor allem um die oben schon angesprochene irrige Auffassung von der Existenz einer Seele und eines die Schöpfung lenkenden Gottes. Die Praxis, die Jesus gelehrt hat, ist trotz gewisser Ähnlichkeiten in Teilaspekten nicht der Arya-Marga, sie ist daher nicht geeignet, Nirodha zu erlangen - und dazu war sie ja auch gar nicht gedacht.
Es gibt noch etliche weitere Punkte, wo Unterschiede deutlich werden. Der wichtigste Unterschied ist sicher der zwischen einer Glaubensreligion und einer Erfahrungsreligion. In der christlichen Lehre spielt der Glaube eine zentrale Rolle: "Ohne Glauben aber ist es unmöglich, [ihm] wohlzugefallen; denn wer Gott naht, muss glauben, dass er ist und denen, die ihn suchen, ein Belohner sein wird" (Heb 11,6). Christliche Lehre ist daher ganz wesentlich Dogmatik; es handelt sich um Sätze, deren Inhalt jeder Überprüfung entzogen ist und die geglaubt werden müssen - wo es sogar Inhalt religiöser Übung ist, im Widerspruch zu Verstand und Erfahrung stehende Dinge zu glauben (Tertullians "credo, quia absurdum"). Völlig im Gegensatz dazu der Dharma; es wird zwar ein Vertrauen in Lehre und Lehrer gefordert, doch dieses Vertrauen hat sich der Überprüfung durch praktische Erfahrung zu stellen:
"Geht, Kálámer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kálámer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden', dann o Kálámer, möget ihr sie aufgeben.
[...]
Wenn ihr aber, Kálámer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind heilsam, sind untadelig, werden von den Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Segen und Wohl', dann, o Kálámer, möget ihr sie euch zu eigen machen." (Kalamer Sutta, A.III,65)
Ich will damit keine Wertung treffen oder der christlichen Lehre ihre Heilstauglichkeit absprechen - das mag jeder mit sich selbst ausmachen. Aber wenn man die Behauptung aufstellt, alle Religionen (oder doch zumindest die großen Weltreligionen) lehrten in ihrem Kern dasselbe, dann hätte ich das doch gerne etwas genauer belegt, als mit ein paar verstreuten Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten. Dann müsste zunächst einmal dieser 'Kern' herausgestellt und definiert werden. Für den Dharma habe ich das oben getan - es sind die Vier Edlen Wahrheiten, die Shakyamuni in der Predigt von Benares (seiner ersten überhaupt) verkündet hat. Ähnliches gibt es ja auch in der christlichen Lehre, Rudolf Bultmann etwa hat mit seiner entmythologisierenden Theologie versucht, eben diesen Kern des Evangeliums (das 'Kerygma') freizulegen. Ich finde da nicht viel Übereinstimmung.
Natürlich ist es jedem frei gestellt, den Kern der christlichen Lehre anders zu definieren. Nach meiner Erfahrung wird dabei dann allerdings in der Regel in die schriftliche Überlieferung eher etwas hineingelesen als herausgelesen - nachvollziehbar im wissenschaftlichen, textkritischen Sinne ist das äußerst selten. Und derjenige, der sich solche Freiheiten nimmt, muss wohl oder übel auch akzeptieren, dass andere sich die Freiheit nehmen, seinen persönlichen Interpretationen nicht zu folgen.
Gasshô,
SoGen