Hallo Gernot und alle anderen,
da ich mich im Folgenden auf anderes Terrain begebe, habe ich einen neuen Thread daraus gemacht - auch weil laufende Threads immer recht schnell nach unten rutschen...
Nur kurz zusammengefaßt: Es ging ursprünglich um die Übersetzung des Begriffs "dukkha", und darum, dass die Übersetzung "Leben ist Leiden" eigentlich recht negativ klingt - vielleicht gerade, aber nicht nur für Menschen, die nicht mit dem Buddhismus vertraut sind. Die bis jetzt stattfindende Diskussion ist im Thread "Leben nicht Leiden?" nachzulesen.
Deine Auffassung, Gernot, von "Leiden" unter dem Gesichtspunkt Anhaftung kann ich recht gut nachvollziehen: die Klammerung an einen Lebensaspekt und damit einhergehend die Ausklammerung des gegenüberliegenden Lebensaspektes.
Mit Sicherheit ist dies eine menschliche Neigung, die dann - sozusagen als Konsequenz des Anhaftens - auch zu subjektivem Leiden führen kann. Zuerstmal sind ja alle Dinge eigentlich so, wie sie sind, und erst aus meiner Bewertung, Bevorzugung, Abneigung etc. entsteht Anhaftung. Georg Grimm hat - ich glaube, in Anlehnung an Schopenhauer - auch vom Leiden als "gehemmtem/durchkreuztem Wollen" gesprochen: Ich will etwas, kann aber nicht, oder nicht bedingungslos, und darunter leide ich.
Die Quintessenz dieser Tatsache ist für mich, zuerst mal ganz wertfrei, dass das Leben jeweils zwei Pole, zwei Seiten einer Medaille bietet, und dass es die eine Seite nicht ohne die andere Seite geben kann. Diese Grundbotschaft finden wir ja auch in so ziemlich allen Weisheitstraditionen - vielleicht am Eindrücklichsten auf den Punkt gebracht in den sich gegenseitig bedingenden, ja sich gegenseitig durchdringenden Elementen Yin und Yang. Diese Sicht ermöglicht mir einen neutralen Blick auch auf mein eigenes Leben, seine Geschichte, und wie Licht- und Schattenseiten den ihnen gebührenden Platz eingenommen haben.
Ist mir das allgegenwärtige Wirken der beiden Pole bewußt, und ist mir bewußt, dass erst aus ihrem Zusammenspiel so etwas wie Leben entstehen kann, dann wird mir fast zwangsläufig, egal, ob ich auf der Glücks- oder Leidensseite stehe, etwas recht Entscheidendes über mein eigenes Leben bewußt: der Prozess der stetigen Veränderung, die Erkenntnis, dass es nicht das Eine ohne das Andere gibt - und vielleicht auch, dass ich von Zeit zu Zeit das Eine oder das Andere in mich zurückholen muss, um das Gleichgewicht zu halten.
Etwas anders: Ich muss mich zuerst auf etwas eingelassen haben, um es dann auch loslassen zu können. Ich kann zum Beispiel nicht von etwas loslassen, dass mir vorher gar nicht wirklich zu eigen war. In dem Moment, wo die Anhaftung zur fixen Idee wird und ich nur noch loslassen möchte, begebe ich mich in einen Kampf, und das, was ich eigentlich loslassen möchte, aber vielleicht vorher in Teilen gar nicht ganz angenommen habe - etwa auch das Ego! - nimmt an Kraft und Bedrohlichkeit zu. Total(itär)es Loslassen kann also auch zur Falle werden, wenn ihm nicht ein gesundes Maß an Annehmen gegenübersteht.
Soweit meine "Annahme" ;-) - was meinst du, was meint ihr?
Gruß,
Ken
klar, Metakognition macht sich zuerst einmal praktisch bemerkbar - indem sie uns ermöglicht, Dinge, aber auch uns selbst, aus der Distanz zu betrachten. Darüberhinaus befähigt sie uns, Prozesse zu planen, voraus zu schauen - und damit auch, unmittelbare Bedürfnisse (Freuds ES] hintan zu stellen. Ob nun zum Beispiel Tiere auch diese Fähigkeit besitzen oder nicht - mit Sicherheit hält sie uns die Türe zum sogenannten "freien Willen" offen, als dessen Befürworter ich mich hiermit oute...
Das heißt, Metakognition ist für mich auch die Instanz, die uns etwa ermöglicht, aus einem laufenden "Programm" auszusteigen. Aus buddhistisch-psychologischer Sicht würde ich sie ganz freimütig dem "manas", dem 7. Bewußtsein der Yogacarin zuordnen - die vermittelnde Instanz zwischen "hier" und "da", die die Überbrückung des Dualismus ermöglicht.
Puuuh, sind da wieder die Pferde mit mir durchgegangen...
Gruß,
Ken