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Ralf54:
Hallo Newplayer,
ich kenne das Buch zwar nicht, aber ich zweifle nicht daran, dass es gut geschrieben und lehrreich zu lesen ist. Gute Bücher schreiben ist anscheinend nicht schwer - es gibt sie zu Tausenden. Woran es mangelt, das sind nicht gute Bücher. Woran es fehlt, das sind Menschen, die den wahren Dharma verwirklichen und unverfälscht übermitteln.
Wenn wir einen Roman empfehlen, dürfte die Persönlichkeit des Autors keine besonders wichtige Rolle spielen. Bei einem Buch, das ein spiritueller Wegweiser sein soll, ist das ein bisschen anders. Da sollte man sich schon fragen, an welchen Ort einen dieser Wegweiser führen will und wie vertrauenswürdig der Führer ist.
Wenn wir Menschen (sie mögen tot sein oder noch am Leben) als Lehrer annehmen oder empfehlen, haben wir Grund, uns diese sehr genau anzusehen. Sicher, wir haben kaum eine Handhabe, um zu beurteilen, ob sie tatsächlich erleuchtet sind oder nicht; ob sie uns wirklich etwas lehren können oder nur an der Nase herumführen. Trotzdem sind wir nicht ganz ohne Kriterien.
Diese Kriterien finden wir in der Überlieferung; und genau das macht den Wert der Überlieferung aus. Ein wichtiges Kriterium ist die Ethik. Ins ethische gewendet, sagt das Gesetz des Karma aus: [ethisch] korrektes Handeln (kushaladharma) hat heilsame Folgen. D.h. die Korrektheit des Handelns lässt sich anhand seiner Auswirkungen beurteilen - insofern ist die buddhistische Ethik eine utilitaristische. Als eine Faustregel für korrektes, heilsames Handeln gibt es in Buddhas Lehre die fünf Sila (jap. Kai). Die dritte Kai z.B. fordert zu verantwortungsvollem Verhalten in sexuellen Beziehungen auf. Die fünfte zum Verzicht auf berauschende Substanzen.
Wie gesagt, wenn ich mir einen Lehrer ansehe, kann ich nicht feststellen, ob er erleuchtet ist - was auch immer das sein mag. Aber ich kann sehen, ob sein Handeln heilsame Auswirkungen hat; zumindest jedoch, ob es im Sinne der Kai korrekt ist. Übrigens lehrt uns Dogen, dass die Kai das wahre Gesicht, die eigentliche Sprache der Erleuchtung sind ...
"An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen", heisst es in einer anderen religiösen Überlieferung. Chögyam Trungpas Baum hat sicher etliche schmackhafte und nahrhafte Früchte hervorgebracht - aber auch einige ungenießbare und sogar giftige. Insofern könnte C.T. stellvertretend für den tantrischen Weg überhaupt stehen - einen nicht ungefährlichen Weg. Eine Warnung bzw. eine Mahnung zu Vorsicht schien mir da angebracht.
Ralf54:
Chögyam Trungpa war sicher ein beeindruckender und charismatischer spiritueller Lehrer. Leider ist sein Bild durch (durchaus glaubwürdige) Berichte von alkoholischen Exzessen und sexuellen Übergriffen deutlich getrübt.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: das disqualifiziert ihn zumindest nicht als Autor. Allerdings sollte man einen Lehrer durchaus auch daran messen, wie er persönlich mit den Kai / Sila umgeht. Trungpa schlief mit etlichen seiner Schülerinnen - ein Psychotherapeut, der so mit seinen Patientinnen umgeht, verliert immerhin (zu Recht) seine Zulassung und riskiert eine Freiheitsstrafe. Ob es gerechtfertigt ist, gleiche Ansprüche an einen spirituellen Lehrer zu stellen, mag jeder für sich entscheiden.
Sehr bedenklich (und leider kaum zu vermeiden) ist es, wenn solche ethischen 'Defizite' dann beispielgebend weitergegeben werden. Trungpas 'Vize' und Nachfolger als Leiter der Vajradhatu-Sangha nach Trungpas Tod 1987 (Özel Tendzin) folgte dem Beispiel seines Lehrers auf seine Art - er schlief auch mit Schülern. Dass er HIV-positiv war, störte ihn dabei nicht weiter. Auch nicht Trungpa, dem er dies bereits 1985 gebeichtet hatte - der empfahl ihm, vor dem sexuellem Verkehr ein Mantra aufzusagen, das würde schon reichen ...
Der Skandal kochte erst 1989 hoch, als zumindest einer seiner Sexualpartner und dessen Freundin bereits infiziert waren - da hatte wohl das Mantra versagt. Dass die daraus resultierenden Skandale ein schiefes Licht auf den Buddhismus insgesamt warfen, sei nur am Rande erwähnt. Soviel zu karmischen Folgen unheilsamen Verhaltens.
Das alles hält meine Begeisterung für Chögyam Trungpa sehr in Grenzen.
"Always let people know when things are wrong. Put it in the newspapers if you must do so."
(Der Dalai Lama 1993 anlässlich einer Diskussion über sexuelles Fehlverhalten buddhistischer Lehrer)
Aus aktuellem Anlass ein weiterer Buchtip über einen anderen 'spirituellen Meister' (leider nur auf Englisch):
Russell Miller
Bare-faced Messiah
The true story of L. Ron Hubbard
Michael Joseph, Penguin Books Ltd, London 1987
ISBN 0718127641
Ralf54:
Mitte der 70er zog mein alter Kumpel Knox ins 500 km entfernte München, weil dort die nächstgelegene Scientology-Zentrale war - zwei Monate, nachdem er dort eher zufällig einen kostenlosen 'Persönlichkeitstest' gemacht hatte. Einen Job fand er in München nicht, und so machte man ihm das freundliche Angebot, als Laufbursche und männliche Putzfrau für Scientology zu arbeiten. Zahlen könne man zwar nicht viel, aber dafür dürfe er kostenlos an Kursen teilnehmen, wenn mal ein Platz frei sei ... was dann allerdings nur gelegentlich bei den Billigangeboten ('Kommunikationskurse' und ähnlicher Schrott) mal der Fall war. Versteht sich, dass er keinen Arbeitsvertrag hatte - also vom 'Arbeitgeber' keinerlei Krankenkasse oder Sozialabgaben bezahlt wurden.
Dreieinhalb Jahre lebte er in einem Wohnklo von Margarinebroten und als er dann aufmuckte, weil er immer noch nicht 'clear' sei, sagte man ihm, es sei wohl doch besser, er würde sich einen gut bezahlten Job suchen und die Kurse kaufen, wenn er es denn wirklich so eilig habe, 'voran' zu kommen.
Glücklicherweise befolgte er den Ratschlag und kam auf Jobsuche wieder nach Hause und glücklicherweise fand er keinen Job, der gut genug bezahlt wurde, um die Karriere als 'Operating Thetan' zu finanzieren. Nach eins, anderthalb Jahren kam er dann allmählich von dem Trip wieder runter. Auch 'ne Art, 'clear' zu werden.
Seitdem bin ich auf den Verein nicht sonderlich gut zu sprechen, und nach vielen nächtelangen Diskussionen mit einem überzeugten und hochintelligenten Scientologen (und intensivem Studium der Axiome der Scientolgy) weiss ich auch sehr genau, warum.
Ralf54:
Lieber Helmut,
ich denke auch, dass ich weiss, wie Du es meinst. Aber ich nehme mir die Freiheit, Dich so misszuverstehen, wie man Dich (auch ohne 'Böswilligkeit') missverstehen kann - nur aus dem Grund, weil man durch solche Missverständnisse in die Irre führen und geführt werden kann.
Um vielleicht einmal die Hauptquelle des möglichen Missverständnisses anzudeuten: Das 'einheitliche System der Erkenntnis', von dem Du sprichst, ist nichts Objektives, sondern etwas sehr Individuelles. 'Einheitlich' (einen Sinnzusammenhang bildend) ist lediglich Deine persönliche 'spirituelle Biographie'.
Da mag dann Ron Hubbard eine Rolle spielen oder (wie bei mir) Karl Marx und Leo Trotzki. Der Nächste empfiehlt dann womöglich (und mit gleichem Recht) aus seiner persönlichen Erfahrung heraus halluzinogene Drogen, tantrisches Rudelbumsen oder Voodoo. Was auch immer uns hierher geführt hat, kann für Andere ein Umweg oder gar Abweg sein. Wo wir durch einen Teich gewatet sind (und dies im Nachhinein vielleicht sogar als Abkürzung empfinden) könnte ein Anderer einen Schritt anders setzen als wir und im Sumpf versinken. Vorsicht!
Im Kaikyo Ge, dem Vers zur Sutraeröffnung, heisst es:
"Dem Dharma, geheimnisvoll
und unvergleichlich tief
ist selbst in Millionen von Kalpas
kaum zu begegnen.
Jetzt können wir es sehen, hören und annehmen.
Mögen wir die wahre Bedeutung
des Tathagata erkennen."
Auf diese große Chance sollten wir uns konzentrieren.
Das Wesen / das begriffen werden kann /
Ist nicht das Wesen des Unbegreifliche.
Der Name / der gesagt werden kann /
Ist nicht der Name des Namenlosen.
Unnambar ist das All-Eine /ist Innen.
Nambar ist das All-Viele / ist Außen.
Begehrdenlos ruhen / heißt Innen erdringen.
Begehrdenvoll handeln / heißt beim Außen verharren.
All-Eines und All-Vieles sind gleichen Ursprungs /
Ungleich in der Erscheinung.
Ihr Gleiches ist das Wunder /
Das Wunder der Wunder /
Alles Wunder-Vollen Tor.
Aber warum sollten nicht auch wir ein wenig um den heißen Brei herumreden - der alte Meister Lao konnte ja auch das Maul nicht halten ;-).
von "Wirken (gewollt und zielgerichtet)" war eigentlich nicht die Rede - im Gegenteil habe ich ja versucht, ein solches Mißverständnis aus der Verwendung ungeeigneter personaler Begriffe (Schöpfer, Bildner) auszuräumen, die nur zur Verdeutlichung von Parallelen benutzt wurden. Nun, 'Motor' ist dagegen doch eher etwas mechanisches - da sehe ich per se nichts Gewolltes oder Zielgerichtes (Gesteuertes) impliziert.
Wenn etwas in der Richtung, dann käme vielleicht Schopenhauers 'blinder' (und eben nicht zielgerichter) Wille dem Dao nahe - aber das ist schon eine recht bemühte Parallele. "Quelle von Möglichkeiten" ist mir ein wenig zu schwach - mit einem kleinen Schrittchen mehr wird daraus ein mir eher zusagendes 'sich erfüllendes Potential'. Wobei bei aller 'Blindheit' kein aleatorisches (rein zufälliges) 'Wirken' vorliegt, sondern ein gesetzmäßiges und sogar zyklisches - jedenfalls, wenn man das I Ching ernst nimmt. Ob ich selbst das tue, lasse ich im Moment mal außen vor ;-)
Und da (beim Zyklischen) endet auch die Parallele zum Sepher Jesirah; die Qabbalah ist linear-eschatologisch. Und bei der Gesetzmäßigkeit endet die Parallele zu Schopenhauers Wille - die Gesetzmäßigkeit liegt bei Schopenhauer lediglich in der nach dem vierfachen Satz vom Grunde funktionierenden Erkenntnisfähigkeit des Menschen. Die Scheidung von immanent und transzendent ist eine abendländische Spezialität ...
Da die Erde annähernd Kugelgestalt hat ist es schon richtig, dass jeder Weg potentiell nach Rom führt - wie auch zu jedem anderen beliebigen Ort auf der Oberfläche der Kugel. Wenn ich genau weiss, wo Rom ist und wo ich bin - wenn ich also eine genaue Karte habe und meine Position bestimmen kann - muss ich maximal 20015 km zurücklegen, um nach Rom zu kommen (Hindernisse mal ausser Acht gelassen).
Wenn ich allerdings eine Karte benutze, die aufgrund göttlicher Eingebung oder von einem phantasievollen Science-Fiction-Autor gezeichnet wurde, oder sagen wir von einem Spinner oder einem Betrüger, dürfte ich bestenfalls rein zufällig irgendwann einmal über Rom stolpern - obwohl ich zweifellos die ganze Zeit auf dem Weg nach Rom bin. 'Auf dem Weg nach Rom' zu sein heisst nicht schon automatisch, auch in die richtige Richtung zu gehen.
Ich will jetzt keinen Streit darüber anfangen, welche Karte am brauchbarsten ist, welche wenigstens ein Minimum an Überblick verraten und welche total unbrauchbar sind - das Bild hinkt ohnehin sehr heftig. Du bist schon in Rom, hast es nie verlassen. Wenn Du glaubst, das Makahannya Shingyo zeige Dir einen Weg, um irgendwo hinzugelangen, dann kann dies nur ein lautstark knarrender Holzweg sein (und wenn Du den Bauernfänger und Mausefallenkrämer Hubbard mit Dogen vergleichst, frage ich mich ernsthaft, ob Du auch nur ein Wort von Dogen annähernd verstanden hast). Womöglich bemerkst Du deswegen den Unterschied nicht.
Im Shingyo heisst es:
"Es gibt weder Unwissenheit noch Auslöschung von Unwissenheit... weder Alter und Tod, noch Auslöschung von Alter und Tod; kein Leiden, keine Ursache, kein Aufhören, keinen Weg; kein Wissen und kein Erlangen. Weil es nichts zu erlangen gibt, vertraut ein Bodhisattva auf Prajna Paramita, und so ist der Geist ohne Hindernis."
Ralf54:
Hallo P'eng Lai,
Dao oder Tao zu personalisieren ('Schöpfer' oder 'Bildner') wäre sicherlich abwegig, so weit ging auch Wilhelm nicht. Den Ausdruck 'Bildner' hatte ich aus dem Sepher Jesirah übernommen, wo er nach meiner Ansicht auch schon nicht mehr personal zu verstehen ist. Der kulturelle Hintergrund (eine theistische Stammesreligion) ist im Judentum natürlich ein völlig anderer als im alten China, was die Verwendung eines solch missverständlichen Begriffs als historisch bedingt erklärt.
'Motor des Werdens' passt etwas mehr zu meiner persönlichen Interpretation von Dao als dem dynamischen Wandlungsprinzip, das den Dingen innewohnt (nicht hinter ihnen steht). Möglicherweise sehe ich den Begriff - ähnlich wie Wilhelm aus christlicher Perspektive - zu sehr vom buddhistischen Standpunkt her.
Freundliche Grüße,
Ralf
Ralf54:
Lieber Helmut,
ich will nicht mit Dir darüber streiten, welcher Zusammenhang zwischen Ron Hubbard und 'verraten und verkauft' am treffendsten ist. Ich weiss auch nicht, was Du Dir davon versprichst, Zen, das I Ching, die Qabbalah und nun auch noch Scientology über einen Kamm zu scheren. Natürlich kann man Äpfel, Birnen, Spargel und Rosenkohl zusammenzählen, wenn man das alles unter dem Etikett 'Obst und Gemüse' zusammenfasst. Nur - ich mag Äpfel, aus Birnen mache ich mir nicht viel, Spargel halte ich für überteuert und wenig nahrhaft und bei Rosenkohl muss ich kotzen.
Nix für ungut und freundliche Grüße,
Ralf
Ralf54:
Wenn auch Helmut ein Schüler von Janosch Roshi wäre, könnte er jetzt wohl seufzend Folgendes zitieren: "Es gibt ja so viele Säue und so wenig Perlen."
Worauf die passende Antwort wäre: "Beim Salat schmeckt am besten das Herz und bei der Ente der Arsch."
Ralf54:
Hallo Sigrid,
ja, alles ist in Dir selbst vorhanden. Und trotzdem schickt man Kinder zur Schule, damit sie Lesen und Schreiben lernen - obwohl die Fähigkeit dazu zweifellos in ihnen selbst vorhanden ist (sonst hätte es auch wenig Sinn). Man verlässt sich idR nicht darauf, dass sie es von alleine und ohne Hilfe lernen - was natürlich grundsätzlich durchaus möglich ist. Allzuviel Vertrauen würde ich in diese Methode allerdings nicht setzen. Im Normalfall kommt dann das Schreiben über Kritzeleien und das Lesen über wildes Herumraten nicht hinaus ...
Es ist schon spassig - um eine Fremdsprache oder das Fahren eines Autos zu lernen, gibt man sich vertrauensvoll in die Hände eines Lehrers. Aber die schwierigste Aufgabe, die der Mensch lösen kann - da ist man überzeugt, das schon alleine auf die Reihe zu kriegen (mach ich doch mit links ...).
Ralf54:
"Gnostizismus, eine der Religionsmischung im römischen Reich entspringende religiöse Bewegung, die sich des jungen Christentums zu bemächtigen und es zu einer hellenistisch-orientalischen Mysterienreligion umzubilden suchte. Die Bewegung erlangte etwa um 135 n. Chr. ihren Höhepunkt. Die Gnostiker, konventikelartike Gruppen, um Führer von sehr verschiedener geistiger Höhe geschart, erstrebten eine Gnosis, ein höheres, nur den Eingeweihten zugängliches Verständnis der göttlichen Dinge. Unter Verwendung sowohl christlicher Gedanken wie uralter orientalischer Mythologien und philosophischer Begriffe schufen die Gnostiker spekulative Systeme, mit denen sie die Rätsel des Daseins zu lösen suchten. Die Erlösung von Sünde und Verdammnis war bei ihnen in ein großes kosmisches Geschehen hineinverwoben, das letzte Glied einer ganzen Kette von Vorgängen, die im Pleroma ['in der Fülle der Gottheit'] spielten, d.h. zwischen dem Urvater und den zahlreichen Untergöttern (Äonen). Ein gefallener Äon, der Demiurgos (Weltbaumeister), der meist mit dem Judengott Jehovah gleichgesetzt wurde, soll die irdische Welt aus der Materie geschaffen haben. In sie wurden nach gnostischer Lehre Bestandteile der oberen, der Lichtwelt hineingebannt, nämlich in bestimmte Menschen, die "Pneumatiker" (Geistesmenschen), die daher die Sehnsucht nach Erlösung empfinden. Die Erlösung ist schon im Gange; einer der Äonen, der Christus, ist herabgekommen, hat die "Gnosis", die wahre Erkenntnis der überirdischen Welt und der Heilsveranstaltung, geoffenbart und den Pneumatikern, nicht aber den "Psychikern" (den bloß seelischen Menschen ohne Geist), die Erlösung gebracht. Diese Grundgedanken konnten in großer Mannigfaltigkeit durchgeführt werden. Man kann einen syrischen (semitische Mythologien verwendenden), einen hellenistischen (platonisierenden) und einen dem Hauptstamm des Christentums näherstehenden Gnostizismus unterscheiden; zum ersten gehören Cerinthus, Saturninus, die Ophiten, zum zweiten Basilides und Valentinus, zu dritten Marcion, Bardesanes und die schon greisenhafte Gnosis der Pistis Sophia."
Soweit 'Der Grosse Brockhaus' zum Thema. Andeutungsweise von mir noch hinzugefügt, dass sich der Gnostizismus nahezu aller damals populären Religionen sowie der neuplatonischen Modephilosophie (Jamblichos, Plotin, Hypatia) bediente. Manche gnostische (insbesondre die o.g. syrischen) Strömungen standen dem Manichäismus (einer streng dualistischen Religion iranischen Ursprungs) deutlich näher als dem Christentum, andere (vor allem die Marcioniten) wiederum können durchaus als frühe christliche Sekte angesehen werden. Auch die (später als häretisch verurteilte) Reinkarnationslehre des Kirchenvaters Origenes geht wohl auf gnostische Quellen zurück.
Generell sollte deutlich geworden sein, dass eine Parallele zum Buddhismus allenfalls in einer pessimistischen Grundauffasung der Welt besteht (die erste edle Wahrheit vom Leiden / Welt als Schöpfung eines teuflischen Demiurgos). Die Reinkarnationslehre hat eher Parallelen im Hinduismus als in Buddhas Lehre. Auch ein Bezug zur christlichen Mystik - sofern man darunter die Mystik eines Johannes vom Kreuz, einer Theresa von Avila oder der deutschen Mystik des Hochmittelalters (Eckhart, Tauler, Seuse) versteht - ist nicht feststellbar. 'Mysterienreligion' hat nichts mit Mystik zu tun, sondern mit Einweihungen in geheime Offenbarungen (Mysterien). Auch dies ein Erbe älterer Religionen vorwiegend kleinasiatischen und thrakischen Ursprungs (u.a. Kybele-Kult, Orphiker). Die tantrischen Initiationsreligionen Indiens und Tibets (Vajrayana) bilden zwar eine religionsgeschichtlich interessante Parallele, die sich aber nicht in den Inhalten wiederspiegelt.
Ralf54:
Hallo Noa,
Du hast wahrscheinlich nicht mitbekommen, dass wir Ende letzten Jahres eine Diskussion über Ralf Halfmanns Artikel hatten. Zunächst im Forum 'Rund um Zen':
"Kritik an Zen" Start 27.11.2002
und dann im Artikelforum
"Kritische Stellungnahme zu : ..." Start 02.12.2002 und
"Kritik aus sich selbst heraus?" Start 10.12.2002
Vielleicht magst Du oder sonst jemand die ollen Kamellen noch mal lesen.
In erster Linie aber möchte ich auf den zweiten Teil Deines Postings eingehen:
>>Mir wäre es am liebsten man könnte zusammen ohne jeden Ballast (Zeremonien, Sutren, Kusen, Statuen, Bilder) einfach intensiv ein paar Tage praktizieren. Gibt es das überhaupt ? Ohne Beeinflussung, ohne Hierarchie, ohne Absolutsheitsanspruch, ohne Meister ....??? Oder bleibt einem da nur noch das alleine Sitzen ?<<
... und dazu einfach ein paar Fragen stellen. Warum empfindest Du Zeremonien, Sutren, Kusen, Statuen, Bilder als Ballast? Gedacht sind sie als förderliche Mittel. Gut, nicht jeder empfindet das so. Aber dass sie jemand als ausgesprochen hinderlich (als Ballast) empfindet, verstehe ich nicht so recht. Warum sollte eine Buddhastatue hinderlicher sein als z.B. der Heizkörper in der Nähe meines 'Sitz'platzes zu Hause? Warum das Kusen hinderlicher als das Geschrei der Kinder auf dem Spielplatz vor meinem Haus? Noch etwas provokativer gefragt: wer haftet da an Äußerlichkeiten? - Wobei ich persönlich diese Dinge gar nicht so 'äußerlich' auffasse, aber das tut nichts zur Sache ... :-)
Beeinflussung, Hierarchie, Absolutheitsanspruch - das ist allerdings schon etwas ernster.
Beeinflussung halte ich für etwas Kontraproduktives, etwas dem Geist von Zen völlig Widersprechendes. Ein gewisser sozialer Anpassungsdruck ist allerdings in einer Gemeinschaft von Zenübenden so wenig vermeidbar wie in einem Kanninchenzüchterverein - und wenn es nur darum geht, z.B. während des Kinhin nicht zu rauchen ;-). Da hat der Einzelne selbst die Verantwortung, bei aller sozialverträglichen Einordnung seine geistige und intellektuelle Autonomie zu wahren. Massive Beeinflussungs- oder Indoktrinationsversuche sollten allerdings Anlass sein, sich von einer solchen Gemeinschaft zurückzuziehen.
Eine funktionale 'Hierarchie' ist in praktischer Hinsicht bis zu einem gewissen Grade notwendig, wenn eine Gemeinschaft oder auch nur ein Sesshin 'funktionieren' soll; aber ich glaube, Du sprichst da von einer spirituellen Hierarchie. Man sollte beides nicht verwechseln. Es gibt in einer Gruppe Zen-Übender vielleicht(!!) Unterschiede bezüglich spiritueller Reife - aber der Glaube, daraus eine Hierarchie ableiten zu können, spricht eigentlich eher für Unreife.
Absolutheitsanspruch - den hat ein Meister in der Tat, und zwar denen gegenüber, die ihn um Annahme als Schüler gebeten haben und deren Bitte er erfüllt hat. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil der Zenunterweisung und der Absolutheitsanspruch gilt dann auch (nur) im Rahmen dieser Zenunterweisung. Die Unterwerfung unter diesen Anspruch hat nicht nur freiwillig zu erfolgen, sie wird in der Regel gar nicht so ohne weiteres angenommen. Wenn jemand dazu gedrängt wird, ist dies ein äußerst bedenkliches Anzeichen. Und - wenn der Meister nicht 'Dein' Meister ist, dann sitzt Du auch ohne Meister. Dann ist der 'Meister' für Dich eben nur ein Mitübender und sollte Dich nicht weiter mit Absolutheitsansprüchen irritieren ;-). Dass Du allerdings bei einem 'gastgebenden' Meister wenigstens einmal zum Dokusan gehst und Dich vorstellst, ist eine Sache der Höflichkeit.
Vielleicht lässt Du Dir aus dieser Perspektive noch einmal durch den Kopf gehen, was Dich an Deiner Gemeinschaft eigentlich so stört. Eine Möglichkeit, gemeinsam zu sitzen, die Dir vielleicht zusagen könnte, findest Du übrigens vielleicht hier: www.zenklausen.de/
Ich kenne die Zenklausen zwar selbst nicht, aber ein Freund mit ähnlichen Vorbehalten wie Du hat sie mir empfohlen.
Ralf54:
Hallo Peter,
wenn Du Satori als etwas Positives (das "erstrebenswert" lassen wir vorerst mal beiseite ...) siehst – was macht es dann dazu? Satori ist eine höchste, unverfälschte (unverblendete) Sicht, höchste Erkenntnis. Sagt man. Und andererseits doch auch wieder nicht, weil es Sicht ohne Seher und ohne Gesehenes ist, Erkenntnis ohne Objekt der Erkenntnis, weil es jede Erkenntnis und Nicht-Erkenntnis transzendiert.
Wenn die 'Erleuchtung' nur ein "Trugschluss" ist, dann ist sie nur ein WEITERER Trugschluss und eben keine Erleuchtung – so etwas soll sogar recht häufig vorkommen .... Möglicherweise gibt es keine Erleuchtung (je nachdem, was man darunter versteht ...) und nur Trugschluss hinter Trugschluss hinter Trugschluss. Verwechseln wir Satori nicht mit Erkenntnis von 'Wahrheit'. Es gibt eine Wahrheit vor der Erleuchtung und eine Wahrheit nach der Erleuchtung. Sie widersprechen sich nicht, schließen sich nicht gegenseitig aus – sie stimmen sogar möglicherweise überein. Die WAHRHEIT an sich gibt es nicht – Wahrheit ist immer etwas Subjektives, nichts Objektives. Da Satori Subjektivität und Objektivität transzendiert, beinhaltet es auch beides – und damit natürlich auch subjektive Wahrheiten. Anders hätte Shakymuni Buddha nicht lehren können, könnte selbst ein Zen-Meister nicht lehren.
Wenn es nicht um Wahrheit geht, um Erkenntnis, worum dann? Es geht darum, 'Dukha' zu beenden. 'Dukha' ist das beherrschende Merkmal des 'nicht-erleuchteten' Seins; das, wonach es sich 'anfühlt', wie wir es subjektiv empfinden. Meist wird es (etwas einseitig, wenn auch in der Summe zutreffend) mit 'Leid' übersetzt. Mittels des von Shakyamuni gelehrten achtfachen Pfades, dessen Konzentrat und direktester Ausdruck die Praxis des Zazen ist, gilt es, die Ursachen von 'Dukha' zu sehen und zu überwinden. Das könnte man dann Befreiung, Erwachen, Erleuchtung, Satori oder wie auch immer nennen. Es ist unerheblich, ob es da um Wahres oder Nichtwahres geht (das sind nur leere Worte, manchmal nützliche Kategorien ohne echten Gehalt) – entscheidend ist das Überwinden von 'Dukha'.
Was das Erstreben angeht – vergiß es, das klappt nicht. Gerade das Erstreben ist Ausdruck von Gier, einer der Ursachen von Dukha. Mit 'Erstreben' gehst Du irgendwann in die falsche Richtung. Gehe den achtfachen Pfad, ohne damit etwas erlangen zu wollen. Es gibt nichts zu erlangen (das mit der Überwindung von 'Dukha' ist nur ein Köder ;-) ). Wäre ich Dein Zen-Lehrer, hätte ich statt dieses Vortrags einfach gesagt: Halt’s Maul und sitz! 'Halt’s Maul' heisst, den Geist nicht mit unnützen Fragen (nach Satori oder was auch immer) zu beschäftigen. Wenn Du praktizierst, um Satori zu erlangen, kannst Du es genauso gut bleiben lassen. Natürlich hat jeder, der praktiziert, aus genau diesem Grund angefangen, zu praktizieren ... ;-). Aber auch ich möchte natürlich niemandem den Mut nehmen – mach Dir einfach nicht so viele Gedanken. Wenn Du praktizierst, merkst Du recht bald, dass das Praktizieren seinen Wert in sich selbst trägt, auch wenn es kein Mittel zu irgend einem Ziel ist.
Noch Eines. 'Bewusstseinsverändernde Drogen' sind genau das und nicht mehr. Drogen, die dieses Bewusstsein, das es uns ermöglicht, zu praktizieren, verändern und uns damit dieser großen Chance zumindest zeitweise berauben. In der Regel dadurch, dass sie vorübergehend einen psychotischen Zustand erzeugen. Man kann da sicher bei entsprechender Risikofreudigkeit ein paar lustige und interessante Erfahrungen machen. Erleuchtung erfährt man mit LSD z.B. allerdings genauso wenig wie mit Pils und Doornkaat. Bestenfalls einen Trugschluss der oben geschilderten Art.
Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass auch durch intensives Zazen Halluzinationen auftreten – im Zen nennt man sie Makyo. Sie müssen als das durchschaut werden, was sie sind – Trugbilder eines verblendeten Geistes. Dabei Hilfestellung zu geben, ist die Aufgabe eines Lehrers – spätestens in einem solchen Stadium ist ein Lehrer unverzichtbar, oder der Sucher verfängt sich in Täuschungen.
Ralf54:
Hi Andreas,
in China und auch in Japan werden neben diversen Buddhas und Bodhisattvas auch die 16 großen Arhats verehrt. Das waren direkte Schüler Shakyamunis, die Erleuchtung fanden. In China heissen Sie 'Lohan', in Japan 'Rakan'.
Im Zen besonders beliebt ist ist der Arhat Cudapanthaka (jap. Shurihandoku). Er war nicht nur kein Intellektueller, sondern nahezu schwachsinnig. Vielleicht auch komplett schwachsinnig, wer weiss das schon so genau nach 2500 Jahren .... Er fand Erleuchtung, weil er einfach übte und sich keine Fragen über das Wie, Warum und Wozu stellte. Seine Übung bestand darin, dass er sich um die Sandalen seiner gelehrten Mitmönche kümmerte.
Keine 'anspruchsvolle' Arbeit, aber 'richtig' gemacht. Das einfache ist eben auch einfacher richtig zu machen.
Hab Erbarmen mit den Intellellen und ihrem harmlosen Vergnügen ... ;-)
Ralf54:
Liebe Weggefährten,
ich habe eine Weile gesucht, konnte aber die Quelle der folgenden Geschichte nicht mehr finden. Auch der Name des Meisters ist mir entfallen, er ist aber auch nicht so wichtig ...
Dieser Meister hatte von Geburt an ein steifes Bein, was natürlich gewisse Schwierigkeiten beim Sitzen mit sich brachte. Als er zu der Ansicht gekommen war, er habe lange genug gelebt, versammelte er seine Schüler, um von ihnen Abschied zu nehmen. Er ermahnte sie, die große Chance einer Existenz in menschlicher Form nicht zu vergeuden und eifrig zu üben. Dann packte er mit beiden Händen sein steifes Bein, brach es mit einem Ruck und setze sich in den vollen Lotus. Er sprach: "Wenigstens werde ich im Lotussitz sterben. Schaut genau hin! Was ist das?" In Zazen ging er in die Verwandlung ein.
Die Anekdote ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. In der Regel haben wir alle den Wunsch nach einem schmerzlosen Tod - doch diesem Mann war das Sitzen im Lotussitz scheinbar wichtiger als ein schmerzfreier Tod. Aber es ist auch nicht zu übersehen, dass er seinen Körper erst dann beschädigte, als er wusste, dass er ihn zu nichts Anderem mehr als zu diesem letzten Zazen brauchen würde.
Mehr noch als die Tatsache, dass er ein Lehrer mit vielen Schülern war, zeugt die Fähigkeit, trotz eines gebrochenen Beins ruhig in Zazen zu sitzen, von dem hohen Grad seiner Verwirklichung. Man darf diese Geschichte nicht für eine Übertreibung halten. Manche von Euch haben vielleicht das Photo des vietnamesischen Mönchs Thich Quang Duc im Gedächtnis, der sich aus Protest gegen die buddhismus-feindliche Politik der Regierung Diem 1963 auf offener Straße verbrannte. Ein Mensch, ruhig in Zazen sitzend, während er wie ein Strohhaufen brennt ... (Versucht nicht, das zu Hause nachzumachen!)
Warum war diesem Meister der Lotussitz so wichtig - hatte er doch die große Befreiung erfahren und war ein geschätzter und verehrter Lehrer geworden, ohne jemals vorher im Lotussitz gesessen zu haben? War ihm diese Sitzhaltung tatsächlich wichtig? Wollte er damit ein "mehr", ein "darüber hinaus" erlangen? Wohl kaum: es gibt nichts zu erlangen, sagt das Herzsutra.
Als er seinen Körper als etwas nutzlos Gewordenes zerbrach und wegwarf, zeigte dieser Meister seinen Schülern, dass für einen Erwachten das Sterben nichts Anderes ist als das endgültige Abwerfen der letzten Fessel - das letze shinjin datsuraku, Abwerfen von Körper und Geist. Er gab seinen Schülern als letzte Lehre ein Beispiel durch sein entschlossenes Sterben, sein bedenkenloses Loslassen - nicht durch sein Sitzen.
Ralf54:
Hallo Chrisi,
wärst Du so lieb, die Stelle rauszusuchen? Der Sekida gehört nicht zu meiner Bibliothek, aber ich hab's genau andersrum im Gedächtnis - dass nämlich gerade der Viertellotus zu einer schiefen Position führt. Da dies mit meinem eigenen Empfinden übereinstimmte, habe ich nach der Lektüre Sekidas das Sitzen im Viertellotus abgebrochen. Aber vielleicht habe ich ja nur zu hastig gelesen und das Wunschdenken hat mir einen Streich gespielt ...
Freundliche Grüße,
Ralf
Ralf54:
Hallo,
auf Bequemlichkeit kommt es sicher nicht an - aber Atem, körperliche Form und das, was ich vereinfachend 'geistige Haltung' nennen möchte, stehen in engem Zusammenhang. Im Idealfall unterstützen und fördern sich diese drei Faktoren gegenseitig. Eine physische Position dagegen, die nur unter Schmerzen eingenommen und/oder durchgehalten werden kann, stört die anderen Faktoren. Sie kann z.B. einen gepressten Atem verursachen und ein geistiges 'Loslassen' verhindern. In Konsequenz heißt das, entweder zunächst ein rein physisches Training zu absolvieren, bis man den Lotussitz beherrscht, oder zumindest vorerst eine geeignetere Sitzposition zu wählen. Unter Schmerzen zu Sitzen, ist kein Zazen. Sitzen in Versenkung ist keine Selbstkasteiung - "Sitzen in Versenkung ist das Wahrheitstor zu grosser Ruhe und Freude."
Das Problem ist durchaus nicht neu und natürlich auch kein rein westliches Problem. Auch der durchschnittliche Chinese oder Japaner hat natürlich mit dem Lotussitz seine Probleme. Der in Zazen-Handbüchern wie Tsung-tses Tso-ch’an I, Dogens Fukan Zazen Gi oder Keizans Zazenyojinki als gleichwertig empfohlene 'halbe Lotussitz' (ardha padmasana, Jap. hanka-fuza) ist wohl selbst schon ein Kompromiss. Gleiches gilt wohl auch für Hilfsmittel wie z.B. das Zafu. Zu Shakyamunis Zeiten dürfte ein Zafu-Kissen wohl ähnliches Befremden hervorgerufen haben, wie heute in manchen Dojos ein Sitzbänkchen - auch wenn Keizan behauptet, schon Shakyamuni habe ein Zafu benutzt. In Japan ist Zazen im Knie- oder Fersensitz (vajrasana, Jap. Seiza) für Laien und insbesondere Frauen durchaus nichts Ungewöhnliches. Früher empfand man in Japan den Lotussitz für Frauen sogar als ausgesprochen unschicklich.
Alternativen zum Lotussitz (padmasana, kekka-fuza) sind neben dem Halblotus und dem bereits erwähnten Seiza der sog. Burmesensitz mit nicht gekreuzten Beinen (paryanka). Der auch im Westen weit verbreitete Knie- oder Fersensitz Seiza (ob mit oder ohne Sitzhilfe) gewährleistet bei richtiger Ausführung eine aufgerichtete Wirbelsäule und einen ungehinderten Atemfluss und steht dabei dem Voll- oder Halblotus in nichts nach. Vergleichsweile nachteilig ist allerdings eine etwas geringere Stabilität des Sitzes und das subjektive Gefühl einer geringeren 'Erdung'. Insofern möchte ich der These, dass der Lotussitz für Zazen optimal ist, nicht widersprechen.
Ich selbst sitze seit Jahren im Seiza und übe noch nebenbei den 'Burmesensitz'. Beschwerdefrei sitzen kann ich im paryanka immer noch lediglich ca. 20 Minuten; zu wenig für meine gewohnte Zazen-Periode. (Halber) Lotussitz führt bei mir unweigerlich zu massiven Problemen mit den Lendenwirbeln. Das ist eher ein persönliches Problem, in der Regel treten dafür häufig eher Probleme mit den Kniegelenken auf (kaum verwunderlich bei der Querbelastung des Gelenks).
Jede Sitzposition und insbesondere der potentiell schädliche Lotussitz sollte mit Vorsicht, Achtsamkeit und Liebe zum eigen Körper eingeübt werden. Das Gebot des 'ahimsa' (Nicht-Verletzen) gilt auch für den eigenen Körper. Selbst Seiza ist nicht jedem problemlos möglich, und dann tut es zur Not auch ein Stuhl. Der Stuhl sollte so hoch sein, dass die Oberschenkel parallel zum Boden sind; ein Sitzkeil, um das Becken leicht nach vorne zu kippen, ist hilfreich. Der Sitz auf dem Stuhl hat die selben Vorteile wie Fuza oder Seiza und die selben Nachteile (in vielleicht etwas stärkerem Maße) wie Seiza.
Ich habe tatsächlich von einem Dojo gehört, der Leute, die auf einem Stuhl sitzen, zwar nicht vom Zazen ausschließt - aber sie vor der Tür des Zendo sitzen lässt. Für mich persönlich wäre - falls es denn stimmt - so etwas kein akzeptabler Ort der Übung. Weder im Zendo noch vor dessen Tür.
Ralf54:
.....
Hörst Du die Worte, solltest Du die Quelle der Lehre verstehen.
Entwickle keine eigenen Masstäbe.
Erkennst du den Weg nicht mit deinen Augen, wie sollten dann deine Füsse um ihn wissen?
In der Übung fortschreiten ist weder fern noch nah.
Im Zustand der Täuschung bist du Berge und Flüsse davon entfernt.
Ich fordere alle Sucher der Wahrheit ehrerbietig auf: Vergeudet eure Tage und Nächte nicht.
ich kenne das Buch zwar nicht, aber ich zweifle nicht daran, dass es gut geschrieben und lehrreich zu lesen ist. Gute Bücher schreiben ist anscheinend nicht schwer - es gibt sie zu Tausenden. Woran es mangelt, das sind nicht gute Bücher. Woran es fehlt, das sind Menschen, die den wahren Dharma verwirklichen und unverfälscht übermitteln.
Wenn wir einen Roman empfehlen, dürfte die Persönlichkeit des Autors keine besonders wichtige Rolle spielen. Bei einem Buch, das ein spiritueller Wegweiser sein soll, ist das ein bisschen anders. Da sollte man sich schon fragen, an welchen Ort einen dieser Wegweiser führen will und wie vertrauenswürdig der Führer ist.
Wenn wir Menschen (sie mögen tot sein oder noch am Leben) als Lehrer annehmen oder empfehlen, haben wir Grund, uns diese sehr genau anzusehen. Sicher, wir haben kaum eine Handhabe, um zu beurteilen, ob sie tatsächlich erleuchtet sind oder nicht; ob sie uns wirklich etwas lehren können oder nur an der Nase herumführen. Trotzdem sind wir nicht ganz ohne Kriterien.
Diese Kriterien finden wir in der Überlieferung; und genau das macht den Wert der Überlieferung aus. Ein wichtiges Kriterium ist die Ethik. Ins ethische gewendet, sagt das Gesetz des Karma aus: [ethisch] korrektes Handeln (kushaladharma) hat heilsame Folgen. D.h. die Korrektheit des Handelns lässt sich anhand seiner Auswirkungen beurteilen - insofern ist die buddhistische Ethik eine utilitaristische. Als eine Faustregel für korrektes, heilsames Handeln gibt es in Buddhas Lehre die fünf Sila (jap. Kai). Die dritte Kai z.B. fordert zu verantwortungsvollem Verhalten in sexuellen Beziehungen auf. Die fünfte zum Verzicht auf berauschende Substanzen.
Wie gesagt, wenn ich mir einen Lehrer ansehe, kann ich nicht feststellen, ob er erleuchtet ist - was auch immer das sein mag. Aber ich kann sehen, ob sein Handeln heilsame Auswirkungen hat; zumindest jedoch, ob es im Sinne der Kai korrekt ist. Übrigens lehrt uns Dogen, dass die Kai das wahre Gesicht, die eigentliche Sprache der Erleuchtung sind ...
"An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen", heisst es in einer anderen religiösen Überlieferung. Chögyam Trungpas Baum hat sicher etliche schmackhafte und nahrhafte Früchte hervorgebracht - aber auch einige ungenießbare und sogar giftige. Insofern könnte C.T. stellvertretend für den tantrischen Weg überhaupt stehen - einen nicht ungefährlichen Weg. Eine Warnung bzw. eine Mahnung zu Vorsicht schien mir da angebracht.
Freundliche Grüße,
() Ralf