das lied von der schweigenden erleuchtung
meister wanshi shokaku
1191-1157
wenn in der stille jedes wort vergessen ist,
erscheint dies vor euch mit deutlichkeit.
wenn ihr es verwirklicht, hat die zeit keine grenzen mehr,
und es ist der moment, wo eure mitte zum leben erwacht.
dieser wunderbare geist glänzt
vor reinheit und seltenheit.
wie der anblick des mondes, wie ein fluß unter sternen,
wie die schneebedeckten fichten
und die wolken, die die gipfel verhüllen.
leuchtend schimmert
ihr wunderbarer strahlenkranz in der dunkelheit.
wie der traum des reihers, der im unbegrenzten raum fliegt,
wie der stille waldteich eines leuchtenden herbstes.
die unbegrenzte zeit löst sich auf im leeren
und nichts ist mehr unterscheidbar.
in diesem licht
ist alles bemühen vergessen,
welches ist der ort dieses glanzes,
wo klarheit und licht alle wirrnis verjagen?
die essenz eines winzigen teichens
durchdringt das unendlich kleine,
das ist das goldene schiffchen auf dem webstuhl aus jade.
gegenstand und aussage beeinflussen sich wechselseitig,
dunkel und licht hängen eins vom anderen ab.
wenn ihre gegenseitige handlung in harmonie ist,
gibt es kein abhängen des geistes mehr vom wort.
trinkt die medizin der richtigen sicht,
schlagt die trommel der giftigen gerüchte.
wenn licht und stille vollkommen sind,
sind leben und tod mein besitz.
tatsächlich tritt das eine über die schwelle,
die frucht reift an ihrem ast.
nur die stille ist die letztgültige lehre,
nur dieses licht ist die universelle antwort.
die antwort ohne anstrengungen,
die unhörbare unterweisung.
alles im universum glänzt
und predigt das dharma.
Indem sie sich antworten,
bestätigt einer den andern,
bestätigung, antwort, frage
sind in vollkommener harmonie.
wenn das licht ohne stille ist,
erscheinen die unterscheidungen.
aus zeugnis und aus antwort
entsteht nur disharmonie.
wenn in der stille
das licht ausgesperrt ist,
wird alles zu brache
und unnütz.
wenn die schweigende erleuchtung perfekt ist,
wird der lotus blühen,
wird der träumer erwachen,
die flüsse werden zum ozean fließen,
die tausend berge werden den edelsten gipfel sehen,
wie der schwan, der milch und wasser teilt,
wie die biene, die pollen saugt.
wenn das stille licht
den äußersten punkt berührt,
setze ich die alte tradition meiner schule fort.
diese praxis heißt schweigende erleuchtung.
sie durchdringt alles, vom tiefsten bis zum höchsten.
übersetzungmokusho: etienne zeisler
aus dem französischen: anna seisen wassermeyer
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