Cookies helfen uns bei der Bereitstellung unserer Dienste. Durch die Nutzung unserer Dienste erklärst du dich mit dem Einsatz von Cookies einverstanden. Weitere Informationen
Aus Sicht der oben zitierten Lehre Huang Pos, auf die du dich in deinem Beitrag beziehst, spielt es natürlich keine Rolle, ob man es Wahrnehmungen und Bewußtseinszustände, Skandas oder elektrische Kontakte und Knotenstellen im Gehirn nennt: All dies sind letztlich begriffliche Vorstellungen und über diese sagt Huang Po:
"Die Fühlenden Wesen wissen nicht, dass sie in genau dem Augenblick, in dem sie ihr begriffliches Denken aufgeben, zum Einen Geist erwachen, der Buddha ist und alle Lebewesen." (Huang Po, Geist des Zen, Kapitel 1)
ich würde dir das Diamant-Sutra empfehlen, ein klassisches Sutra, auf das sich besonders der 6. Patriarch des Zen, Hui Neng, aber auch der "Zen-Gründer" Boddhidarma bezieht. Die Vorstellung von einem Ich/Selbst wird darin als eine von vier grundsätzlichen Arten des gedanklichen Verstehens beschrieben, die wegen des illusionären Charakters aller Vorstellungen dem Erleben des von Buddha beschriebenen Erleuchtungszustandes im Wege stehen.
Außerdem empfehle ich dir die Lehren von Meister Huang Po (Geist des Zen) und Meister Lin Dji (jap Rinzai). Im Anschluss noch zwei Zitate aus Huang Pos Geist des Zen:
"Dieser Dharma ist ohne jede Unterscheidung, sein Name ist Bodhi. Es ist der reine Geist, die Quelle von allem. Mag er als Ding, Lebewesen, Buddha oder auch als etwas Formloses, Alles-Durchdringendes erscheinen er ist vollkommen unterschiedslos, denn es gibt weder Selbst noch andere." (Kapitel 8.)
"Der Körper ist nicht das Selbst und das Selbst hat kein Wesen. Formen, Gefühle, Gedanken, Impulse und Bewusstsein sind ebenfalls nicht das Selbst und stellen keine Wesenheit dar. Dein Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen und Denken mit all ihren Objekten und Formen von Bewusstsein sind jedes einzelne für sich und alle zusammengenommen leer. (Kapitel 11.)
Gerade dieses letzte Zitat zeigt, dass Helmut wohl nicht ganz unrecht hat, wenn er darauf hinweist, dass es i.d.R. jahrelanger Zen-Praxis bedarf, um diese Lehre nicht in der einen oder anderen Weise misszuverstehen. Diese Lehre ist keineswegs nihilistisch oder im Sinne einer Negierung von Existierendem (was ihres dualitären Charakters wegen übrigens eine gleichzeitige Anerkennung des Existierenden implizieren würde) zu verstehen. Diese Lehre weist vielmehr auf die Befreiung von einem Selbstverständnis in Identifikation mit dem eigenen Körper bzw. der körperlichen Welt, mit sinnlichen Wahrnehmungen und sinnlichen Objekten, mit Gefühlen, Gadanken, Impulsen und Bewusstsein hin.
Als jemand, der offenbar selber nicht mit Koan Zen ausübt, kommst du hier zu dem Pauschalergebnis, das man sich von Koans nur fern halten und andere vor ihnen warnen solle. Ist jetzt nicht böse gemeint, aber ich wüßte kaum, wo ich sinnvoller Weise da noch den Faden aufgreifen sollte.
Sieh's lieber mit Humor, alter Freund. Was wir hier von uns geben, ist alles zusammengenommen sicherlich ein Haufen wirrer Illusionen. Aber das muss ja nicht gleich heißen, dass es nicht doch auch mal von Nutzen sein kann.
Tai:
Die Praxismethode, aus der meine persönliche Erfahrung und meine Beiträge hervorgehen, hat mit Pfad-Wissen gerade nicht sehr viel zu tun, eher damit, wie man sich z.B. beim Zazen von der Anhaftung an Wissen befreien kann. :)
Das hält mich natürlich nicht davon ab, auf Peter oder jeden anderen genau so einzugehen wie ich es für angemessen halte. Wobei klar sein sollte, dass der Austausch, den wir hier pflegen, über Worte und in Form von begrifflichem Denken stattfindet. Daran ist auch gar nichts Schlimmes oder Unnatürliches.
Gelänge es dir im konstaten Halten der Koanfrage einen Zustand zu erreichen, in dem kein Raum für die Vier Grundbegriffe des denkenden Geistes (vom Selbst, von Anderen, vom Raum, von der Zeit; siehe Diamant Sutra) vorhanden ist und jemand käme und fragte dich: "Wie komme ich da und dort hin?" - so würdest du nach meinem Verständnis vollkommen frei sein, genau das zu tun, was angemessen ist; etwa zu sagen: "Am besten gehst du da und dort lang!" Natürlich wäre deine Antwort gespickt mit Vorstellungen, die laut buddhistischem Verständnis auf eine oder mehrere der Vier Grundvostellungen zurückführen. Aber so ist nun mal das Wesen der Sprache. Und begriffliches Denken ist an sich nichts Schlechtes - auch wenn die Anhaftung daran i.d.R. zu einer Entfremdung vom unmittelbaren Jetztgewahrsein führt.
Auch Buddha und die Zen-Meister bedienten sich der Sprache und des begrifflichen Denkens, um eine Lehre zu verkünden, die besagt, das die Lebewesen, sobald sie ihr begriffliches Denken aufgeben, zum Einen Geist erwachen, der Buddha ist und alle Lebewesen.
Tai:
Sicherlich entspricht die Verneinung von verdinglichten Konzepten immer noch einem Haften an diesen Konzepten. In der Koanfrage spielen sie ganz natürlich einfach keine Rolle bzw. es ist kein Platz für sie.
Die Begriffe "Selbst und Nichtselbst, Innen oder Außen etc." tauchen in meiner Antwort nur bezogen auf Peters Frage "sehe ich dann mich selbst?" auf. De facto beziehen wir uns in unserm Denken wohl alle auf solche Konzepte. Im Diamant-Sutra benennt Buddha diesbezüglich vier Grundvorstellungen:
1. Vorstellung von einem Selbst (Ich, Innen etc.)
2. Vorstellung vom anderen (Du, Außen etc.)
3. Vorstellung von einer Person (räumliche Entität)
4. Vorstellung von einer Lebensspanne (Zeit)
In der Koanfrage - konsequent angewand und kontinuierlich gehalten - lösen sich alle Arten von Vorstellung auf natürliche Weise auf.
Tai:
Anders als in diversen Formen des Tibetischen Buddhismus geht es im Koan-Zen keineswegs darum, sich mit irgendwelchen Fragen zu beschäftigen, um dann irgendetwas aufzulösen. Dass dies häufig missverstanden wird, liegt wohl an unserer Gewohnheit, auf eine Frage geradezu reflexhaft gedankliche Beschäftigung als "Antwort" folgen zu lassen. Die Koanfrage dagegen ist eine Methode, gerade nicht in dieses reflexhafte Sich-Etwas-Vorstellen zu verfallen.
Wie du selber schön herausgearbeitet hast, neigen wir dazu, statt eine Meditationsmethode kontinuierlich und unmittelbar umzusetzen, uns (etwa beim Zazen) bloß vorzustellen, wir setzten sie gerade um. Statt also z.B. unsere Aufmerksamkeit ununterbrochen jetzt zu halten, stellen wir uns dies nur vor und verlieren genau dabei schon den Blick auf das unmittelbar gegebene Jetzt. Da in der Welt des Denkens eine Assoziation auf die nächste folgt, liegt es nahe, über die Jetztmethode oder beliebige andere Dinge nachzudenken bis wir vielleicht irgendwann bemerken, dass wir überhaupt nicht mehr bei der Sache sind.
Die Koanfrage ist dagegen eine Frage, die ihrem Wesen nach durch gedankliche Vorstellungen gar nicht beantwortet werden kann - auch wenn du dich noch so lange und intensiv gedanklich mit ihr beschäftigst. Statdessen führt sie dich direkt in die unmittelbare Jetzt-Erfahrung desjenigen, der sich die Frage stellt.
Als Hauptkoan (oder lebenslanges Koan) wird hier in der Regel entweder "Mu?" (aus Joshus "Nichts" auf die Frage nach der Buddhanatur eines Hundes) oder "Was ist dies?" (etwa gemäß des weiter oben von mir zitierten Koans von Huineng) verwendet. Fragst du dich "Was ist dies?", so lenkt dich die Frage automatisch immer wieder in dein unmittelbar gegebenes Jetztgewahrsein. Du musst nur dem Impuls widerstehen, über eine gedankliche Antwort auf die Frage nachgrübeln. Ab einem bestimmten Punkt kannst du dir die Frage intuitiv stellen, also ohne sie im Kopf quasi wörtlich formulieren zu müssen. Aus diesem Grund gibt es auch unterschiedliche wörtliche Versionen der Frage, die letztlich alle auf dasselbe/denselben zielen, etwa: "Wer bin ich?" oder auch "Wann ist dies?" etc.
Tai:
Konsequent angewand ist das nach meiner Erfahrung ein absolut durchschlagender Ansatz.
1. Die Suche nach dem Suchenden bzw. die Frage nach dem Fragenden darf dabei aber nicht als etwas verstanden werden, das gedanklich beantwortet werden könnte oder sollte. Die Frage ist eher eine Art konstanter auf sich selbst gerichteter Aufmerksamkeit. Die Antwort auf die Frage kann angemessener Weise keine noch so treffende Vorstellung, sondern immer nur eine unmittelbare Erfahrung sein.
2. Da es aus deiner Sicht nichts gibt, das nichts mit dir zu tu hat (ich hoffe, du kannst dem soweit zustimmen), löst sich in der auf dich selbst gerichteten Frage letztlich der Gegensatz zwischen Selbst und Nichtselbst, Innen oder Außen etc. auf. Konsequent angewand führt die Frage in eine Erfahrung des Unbedingten.
Noch mal zu deinem Eingangsproblem: Diese suchende bzw. fragende Qualität deines Jetztgewahrseins ist, was dich wach hält. Es wird hierfür auch der Begriff "Großer (allumfassender) Zweifel" verwendet. Mit Zweifel ist hier u.a. gemeint, auch die gedanklichen Antworten, die dir unaufhörlich in den Sinn kommen mögen, zugunsten desjenigen, der da denkt, infrage zu stellen.
Was ich hier beschreibe, ist nichts anderes als die Grundhaltung im Koan-Zen. Deutlich zum Ausdruck kommt sie z.B. im Koan Nr. 23 des Mumonkan:
Weil Ming ihn nach dem Dharma fragte, sagte Huineng:
"Denk nicht gut, denk nicht schlecht, genau in diesem Augenblick was ist da das ursprüngliche Wesen des Ming?"
Um hier mal in thigles, wie ich finde, sehr treffende Terminologie einzutauchen: Die Tatsache, dass du einschläfst, zeigt deutlich, dass du die Übung immer noch in hohem Maße "praktizierst", statt sie Wirklichkeit werden zu lassen bzw. die Aufgabe unmittelbar umzusetzen.
"Alles (wirklich) lassen wie es ist" fordert von Augenblick zu Augenblich deine volle Achtsamkeit. Dabei einzuschlafen, ist es quasi unmöglich. Lässt dein Gewahrsein dagegen auch nur für einen Augenblick nach, rutscht du sofort in dein gedankliches Verstehen von "alles lassen wie es ist" ab. Das ist es, was thigle als die Aufgabe praktizieren bezeichnet. Und in diesem Zustand ist auch stets der Schlaf nicht weit entfernt.
Tai:
Du hast recht: Auch eine perfekte Beschreibung der buddhistischen Methode (die ich für mich hier keineswegs in Anspruch nehme) führt nicht zwangsläufig zu rechtem Verständnis oder rechter Anstrengung. Allerdings werden dich auch rechtes Verständnis und rechte Anstrengung nur so weit bringen, wie du die Methode tatsächlich und unmittelbar ausübst.
Weiter unten schreibst du: "Das Erleben selbst ist der Kern oder besser gesagt, die Wirklichkeit und die Konzentration darauf ist die Wahrheit ..." Würdest du nicht so sehr an Worten haften, dann müsstest du eigentlich erkennen, dass die von mir erwähnte "Schau des Geistes" nur ein anderer Finger ist, der auf denselben Mond hinweist.
In Acht nehmen solltest du dich nach meinem Verständis von der Vorstellung "erleuchtet zu werden". Denn die ist tatsächlich sehr gut geeignet, dich, wie du es anschaulich ausdrückst, als "Geschichte für den hungrigen Geist" von der Konzentration auf die unmittelbar gegebene Wirklichkeit abzulenken.
Tai:
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass es in einer oder mehreren der vielen buddhistischen Traditionen soetwas wie ein Herz-Mantra gibt. Daher meine Rückfrage an MonkOfBenares.
"Za" bedeutet "Sitzen" oder "Sitz" (Japanisch). "Zen" ist die japanische Übersetzung des chinesischen Wortes "Chan" (koreanisch "Seon"), eine Übersetzungen des Sanskritbegriffs "Dhyana", der inetwa der Vorstellung von Versenkung bzw. Mediation entspricht.
"Zazen" bedeutet somit soetwas wie "Sitzmeditation". Neben Zen im Sitzen werden im Zen-Buddhismus als klassische Formen auch Zen im Liegen, Zen im Stehen und Zen im Gehen, sowie diverse rituelle Formen wie die rituelle Essensmeditation oder rituelle Zeremonien inklusive Rezitationen und Mantrapraxis etc. ausgeübt.
Dass Zazen "einfach sitzen" bedeutet, entspricht einer Auslegung, wie sie im Soto-Zen gelebt wird. Im Koan-Zen versteht man unter Zazen Koanpraxis im Sitzen. Hierbei entspricht Zen einer geistigen Haltung, einer Art Schau des eigenen Geistes, die im Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen, beim Essen, der Arbeit und überhaupt in jeder Situation ausgeübt werden kann - wobei grundsätzlich Sitzen im Lotus als die für Zenpraxis am besten geeignete Haltung angesehen wird.
es war nur eine Metapher. Die "Frucht schlucken" steht darin für eine unmittelbare, unbedingte Wesensschau (im Gegensatz zu Vorstellungen von Zen, die unsere Zen-Praxis prägen).
Nicht nur beschreibst du den Unterschied sehr treffend. Es ist auch der alles entscheidende Unterschied. Und dann inspiriert mich natürlich auch der prakmatische Ansatz, es genau jetzt umzusetzen.
Aus Sicht der oben zitierten Lehre Huang Pos, auf die du dich in deinem Beitrag beziehst, spielt es natürlich keine Rolle, ob man es Wahrnehmungen und Bewußtseinszustände, Skandas oder elektrische Kontakte und Knotenstellen im Gehirn nennt: All dies sind letztlich begriffliche Vorstellungen und über diese sagt Huang Po:
"Die Fühlenden Wesen wissen nicht, dass sie in genau dem Augenblick, in dem sie ihr begriffliches Denken aufgeben, zum Einen Geist erwachen, der Buddha ist und alle Lebewesen." (Huang Po, Geist des Zen, Kapitel 1)
_()_
Tai