Hallo zusammen!
Ich habe etwas gefunden, dass mich auf eine sehr insteressante theologische Sichtweise gebracht hat. Es ist aus einem Forum für gläubige Christen ( www.glaube.de). Ich will hier niemanden missionieren, aber ich fände es interessant, wenn ihr mir auch mal eure Meinungen zu meiner Idee postet würdet. Hier erstmal der besagte Beitrag aus dem Forum:
"Gnade für den Augenblick von Max Lucado
Die Weisheit von oben ist erstens heilig, sodann friedlich, freundlich, gehorsam. - Jakobus 3:17
Das Herz Jesu war rein. Tausende von Menschen sahen in Jesus den Retter und schauten zu ihm auf, dennoch begnügte er sich mit einem einfachen Lebensstil. Er wurde ständig von Frauen umsorgt (Lukas 8:1-3), dennoch hat man ihm nie lüsterne Gedanken vorgeworfen.
Menschen, die er selbst erschaffen hatte, verhöhnten ihn, dennoch war er bereit, ihnen zu vergeben, noch ehe sie ihn um Erbarmen anflehten. Petrus, der dreieinhalb Jahre mit ihm unterwegs war, bezeichnete Jesus einmal als "Lamm ohne Fehl und Makel" (1. Petrus 1:19).
Johannes gelangte, nachdem er die gleiche Zeitspanne mit Jesus verbracht hatte, zu der Überzeugung: In ihm ist keine Sünde (1. Johannes 3:5).
Das Herz Jesu war voller Frieden. Seine Jünger zerbrachen sich den Kopf darüber, wie die versammelten Tausenden zu speisen wären; nicht aber Jesus. Er dankte Gott für das Problem.
Seine Jünger schrien während des Sturms auf dem See Genezareth vor Angst; nicht aber Jesus. Er schlief.
Petrus zückte das Schwert, um mit den Soldaten, die Jesus verhaften wollten, zu kämpfen; nicht aber Jesus.
Er hob vielmehr die Hand, um den Knecht des Hohepriesters zu heilen. Sein Herz war voller Frieden."
Ich habe mir daraufhin Gedanken über andere Bibelgeschichten und die Einstellung von Christen angesehen und etwas interessantes entdeckt:
Wenn man die Bibelgeschichten (bes. das Neue Testament) in einer gescheiten Übersetzung (die Einheitsübersetzung divergiert z.B. gewaltig von dem aramäischen Urtext) von allen "christlichen" Bildnissen bereinigt, so fallen erstaunliche Parallelen zwischen Jesus und Gotama auf. Das deutet schon der obige Forumbeitrag an.
Wenn man mal etwas weiter geht und Gott (bzw. den Himmel) mit dem Nirvana vergleicht, so scheinen der Buddhismus, das Christentum, das Judentum und der Islam (wenn man den Kern dieser Religionen auf diese Weise betrachtet) die selben Ziele zu haben: Nächstenliebe, Selbstaufgabe und nicht zuletzt der Eintritt ins Nirvana bzw. in den Himmel/ins Paradies. Dazu noch etwas:
Wie hat man sich das Paradies vorstellen? In einem Buch über den Buddhismus habe ich gelesen, wie man es aushalten könne, tausend Jahre lang zu leben. Wenn man schon in seinem begrentzen Jahren seines Lebens mit Familie und Wohlstand nicht glücklich werden kann und immer mehr haben möchte, dann kann man es wohl kaum tausend Jahre lang aushalten. Wenn man es aber schafft, sich von all diesen Dingen loszusagen, dann kann man ewig leben und man ist auch glücklich.
Worauf ich hinaus will? Ganz einfach: Das Paradies stellen sich die meisten als Schlaraffenland vor, in dem man tun und lassen kann, was man will und in alle Ewigkeiten Party feiern kann (ist natürlich jetzt übertrieben ;-) ). Wenn man sich das Paradies aber so vorstellt, dass es nichts mehr zu erreichen gibt und wo es keine Gier, keinen Hass, keine Verblendung und somit auch kein Ego mehr gibt, kann man dieses Paradies dann nicht als Nirvana bezeichnen?
"Loslösung von allem Weltlichem" - Diese Forumuliereung taucht sowohl im Buddhismus, als auch im Christentum auf (ich lasse das Judentum und den Islam aus den folgenden Überlegungen raus, aber wenn man Jesus streicht, stimmt das auch mit diesen Religionen überein). Es ist auch das, was gelehrt wird. Beispiel: Viele Christen glauben, dass sie sich selbst aufgeben, wenn sie ihre Seele Christus übergeben. Das heißt doch auch, dass sie nach nichts Weltlichem, also nichts für ihr Ego/ihr Ich, erreichen wollen, oder? Es heißt in der größten Weltreligion auch, dass Christus der einzige Weg ist, seine Sünden zu vergeben zu bekommen und somit in den Himmel zu kommen. Sünden definiere ich hier als Gier, Hass und Verblendung.
Weiter heißt es, dass Jesus reinen Herzens und ohne Sünde war (der obige Forumbeitrag). Betrachtet diesen Satz dochmal unter meiner obigen Definiton des Wortes "Sünden". Fallen euch schon die Parallelen zwischen Jesus und Gotama auf? Es geht noch weiter:
In dem aramäischen Urtext des Johannesevangeliums (liegt mir leider nicht vor und ich kann auch kein Aramäisch, aber einer aus einem christlich-gläubigen Forum kann es und hat mir freundlicherweise einige Stellen übersetzt) steht geschrieben, dass Jesus nie Fleisch aß, seine Jünger ermahnte, nie ein Lebewesen - ob Mensch oder Tier - zu töten oder zu verletzen, und sie der Wichtigkeit der zehn Gebote erinnerte. Die zehn Gebote habe übrigens erstaunliche Ähnlichkeit mit den fünf Regeln des Buddhismus (weiß die korrekte Bezeichnung gerade nicht - wenn es denn eine gibt).
Ich könnte euch jetzt noch Dutzende solcher Ähnlichkeiten präsentieren, aber ich denke das ist unnötig. Ich hoffe ihr habt verstanden, wie ich diese Ähnlichkeit zwischen Jesus Christus und dem Buddha Siddhartha Gotama gemeint habe - beide wollten ihre Anhänger (eigentlich allen Menschen) das Gleiche sagen - nur auf zwei verschiedenen Wegen. Jesaja, Muhammed, etc. haben das in meinen Augen auch getan; darauf, ob sie selber Buddahs waren, möchte ich mal nicht eingehen. Auf diese Weise lässt sich das ganze jedoch meiner Meinung nach auf das Judentum und den Islam übertragen. Auf die Frage, wie es denn mit dem Hinuismus und den anderen kleineren Religionen aussah, habe ich mich ebenfalls noch nicht beschäftigt.
Auf eines möchte ich noch eingehen: Die Geschichte, dass Jesus immer im Namen Gottes gepredigt hat. Ich weiß nicht, ob er es wirklich getan hat, damit ihm die Menschen (besonders die damaligen Juden) leichter folgen konnten (etwas auf Gott/Jachweh bezogenes erschien ihnen sicherlich Glaubwürdiger als die vier Weisheiten), oder ob es die späteren Evangelisten aus eben diesem Grund getan haben. Das lässt sich aufgrund der Überlieferungen eh nicht sagen. Aber ist das nicht egal, welchen Weg zwei Menschen gehen, solange sie am selben Ziel ankommen?
Ich danke euch fürs lesen und freue mich schon auf eine Diskussion. Danke!!!
Mörk
Shakyamuni Buddha hat den Dharma als ein Gesetz gelehrt - als ein Gesetz, das unabhängig von ihm selbst ist. Ein Gesetz, das schon Buddhas vor ihm entdeckt haben und das, wenn er selbst vergessen ist, wieder durch einen Buddha neu entdeckt werden wird. Das ist etwas anderes als der (mit Verlaub) gelinde Größenwahn solcher Sprüche: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich" (Joh. 14,4) oder "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben" (Joh. 11,25).
Wenn der Dharma also ein "Gesetz" ist, das unabhängig vom Lehrer existiert, dann ist es nicht verwunderlich, dass auch andere zumindest Teile davon unabhängig und für sich entdeckt haben. Das trifft auf eine Menge Leute zu, nicht nur auf den Rabhbi Jeschua.
Der Dharma, wie ihn Shakyamuni Buddha lehrte, besteht im Kern aus den Arya-Satya, den "Vier edlen Wahrheiten".
Die erste Wahrheit ist die von Duhkha - dass alles Sein unbefriedigend und letztlich leidvoll ist. Selbst angenehme Erfahrungen tragen durch ihre Vergänglichkeit den Kern der Leiderfahrung in sich; jede Erfahrung von Lust wird dadurch leidvoll, dass sie nicht andauert und nicht festgehalten werden kann. "Denn jede Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit", wie es Nietzsche formuliert. Eine "Erlösung" vom Leid (Moksha, Befreiung) gibt es daher nur durch Verlöschen des Seins (Nirvana); eine nicht-leidvolle Existenz (einen 'Himmel' oder ein 'Paradies'), sei es körperlich oder rein geistig, kann es nicht geben. Wo hat Jesus so etwas gelehrt?
Die zweite Wahrheit ist die von Samudaya, den Ursachen dieser Misere. 'Duhkha' ist bedingt durch Gier und Hass, durch Anhaftung und Abstoßung, die als letzte Wurzel wiederum Unwissenheit haben. Der Kern dieser Unwissenheit wiederum ist der Irrglaube an eine abgetrennte, unabhängige persönliche Existenz, einen Wesenskern, eine 'Seele'. Aus dieser Grundbedingung von Unwissenheit entsteht der Bedingungszusammenhang 'Pratityasamutpada', das bedingte Entstehen. Das ist ein zyklisches, sich selbst erhaltendes System von Bedingungen, Ursachen und Wirkungen, das ohne Schöpfergott auskommt. Es kennt keinen Beginn mit einer Schöpfung durch ein allmächtiges Wesen (erste Ursache) und kein Ende, keine Eschatolgie, mit Auferstehung für die Auserwählten und Hölle&Verdammnis für die anderen. Wo hat Jesus so etwas gelehrt?
Die dritte Wahrheit ist die von Nirodha, der Aufhebung des Leidens. Erlöschen die Ursachen, erlischt auch das Leiden. Der Ansatzpunkt ist in erster Linie das Anhaften; durch Auflösung des Anhaftens ist ein Loslösen vom Seinskreislauf Samsara, ein Loslassen möglich. Hier nun haben wir einen ersten schwachen Berührungspunkt mit der Lehre des Rabbi Jeschua (die im Ausgangsposting erwähnte 'Loslösung von allem Weltlichen') - aber auch mit jeder anderen religiösen und philosophischen Lehre, die Askese empfiehlt. Deutlich schwerer fällt allerdings nach meiner Auffassung ins Gewicht, dass nach Buddhas Lehre Nirodha nur durch eigene Anstrengung erlangt werden kann. Es ist absolut zwecklos, da auf die Gnade irgendeines Gottes zu vertrauen - und da gibt es auch keinen gottgesandten Messias, der sich freundlicherweise selbst opfert, um damit alle Wesen zu erlösen.
Die vierte Wahrheit ist die vom Arya-Marga, dem achtfachen Weg, der zur Aufhebung des Leidens führt. Dieser Weg, diese Handlungsanweisung, kann in drei Aspekte unterschieden werden: in Sittlichkeit (Shila), Weisheit (Prajna) und geistige Übung (Dhyana). Hier haben wir in der Sittlichkeit wieder Berührungspunkte mit der Lehre des Rabbi Jeschua - aber auch hier wiederum nicht nur mit seiner Lehre. Das Gebot allgemeiner Nächstenliebe z.B. war geistesgeschichtlich gesehen absolut nichts Neues; in China hatte es z.B. Mo Di (ca. 470-390 v. Chr.) eine Generation nach Shakyamuni (und ebenfalls unabhängig von ihm) verkündet. Auch hier wieder ein bedeutsamer Unterschied: im Dharma gründet sich die Sittlichkeit auf ihre Heilsamkeit in Hinsicht auf die Leidüberwindung, nicht auf göttliche Gebote und den Begriff von 'Sünde'.
Zu beachten ist außerdem, dass der achtfache Pfad vollständig praktiziert werden muss und dass er kein Stufenweg ist - er muss also in allen seinen Aspekten praktiziert werden. Selbst wenn es im Bereich der Weisheit noch den einen oder anderen Berührungspunkt gibt, so gibt es gerade hier sehr deutliche Unterschiede, die vor allem die 'Rechte Einsicht' betreffen. Es handelt sich vor allem um die oben schon angesprochene irrige Auffassung von der Existenz einer Seele und eines die Schöpfung lenkenden Gottes. Die Praxis, die Jesus gelehrt hat, ist trotz gewisser Ähnlichkeiten in Teilaspekten nicht der Arya-Marga, sie ist daher nicht geeignet, Nirodha zu erlangen - und dazu war sie ja auch gar nicht gedacht.
Es gibt noch etliche weitere Punkte, wo Unterschiede deutlich werden. Der wichtigste Unterschied ist sicher der zwischen einer Glaubensreligion und einer Erfahrungsreligion. In der christlichen Lehre spielt der Glaube eine zentrale Rolle: "Ohne Glauben aber ist es unmöglich, [ihm] wohlzugefallen; denn wer Gott naht, muss glauben, dass er ist und denen, die ihn suchen, ein Belohner sein wird" (Heb 11,6). Christliche Lehre ist daher ganz wesentlich Dogmatik; es handelt sich um Sätze, deren Inhalt jeder Überprüfung entzogen ist und die geglaubt werden müssen - wo es sogar Inhalt religiöser Übung ist, im Widerspruch zu Verstand und Erfahrung stehende Dinge zu glauben (Tertullians "credo, quia absurdum"). Völlig im Gegensatz dazu der Dharma; es wird zwar ein Vertrauen in Lehre und Lehrer gefordert, doch dieses Vertrauen hat sich der Überprüfung durch praktische Erfahrung zu stellen:
"Geht, Kálámer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kálámer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden', dann o Kálámer, möget ihr sie aufgeben.
[...]
Wenn ihr aber, Kálámer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind heilsam, sind untadelig, werden von den Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Segen und Wohl', dann, o Kálámer, möget ihr sie euch zu eigen machen." (Kalamer Sutta, A.III,65)
Ich will damit keine Wertung treffen oder der christlichen Lehre ihre Heilstauglichkeit absprechen - das mag jeder mit sich selbst ausmachen. Aber wenn man die Behauptung aufstellt, alle Religionen (oder doch zumindest die großen Weltreligionen) lehrten in ihrem Kern dasselbe, dann hätte ich das doch gerne etwas genauer belegt, als mit ein paar verstreuten Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten. Dann müsste zunächst einmal dieser 'Kern' herausgestellt und definiert werden. Für den Dharma habe ich das oben getan - es sind die Vier Edlen Wahrheiten, die Shakyamuni in der Predigt von Benares (seiner ersten überhaupt) verkündet hat. Ähnliches gibt es ja auch in der christlichen Lehre, Rudolf Bultmann etwa hat mit seiner entmythologisierenden Theologie versucht, eben diesen Kern des Evangeliums (das 'Kerygma') freizulegen. Ich finde da nicht viel Übereinstimmung.
Natürlich ist es jedem frei gestellt, den Kern der christlichen Lehre anders zu definieren. Nach meiner Erfahrung wird dabei dann allerdings in der Regel in die schriftliche Überlieferung eher etwas hineingelesen als herausgelesen - nachvollziehbar im wissenschaftlichen, textkritischen Sinne ist das äußerst selten. Und derjenige, der sich solche Freiheiten nimmt, muss wohl oder übel auch akzeptieren, dass andere sich die Freiheit nehmen, seinen persönlichen Interpretationen nicht zu folgen.
Gasshô,
SoGen