Eine Runde Laufen entlang der goldenen Herbstwälder liegt hinter mir. Ich habe das Rascheln der Blätter unter meinen Füssen genossen, ebenso wie den Duft des verwelkenden, nassen Herbstlaubes, aus dem sich die einzelnen Elemente wieder langsam aus der Form eines Blattes zurückziehen
Es ist nun Abend am Fest Allerheiligen-Allerbodhisattvas, meinem persönlichen Lieblingsfest nach Pfingsten und ich finde diesen Moment stimmig um zu versuchen mit euch, meiner virtuellen Sangha, etwas zu teilen, was mich in den letzten Monaten der Vorbereitung auf mein baldiges Jukai bewegt hat.
Jukai, bekannt als Laienordination, ebenso als Bodhisattva Initiation. Für mich bedeutet dies ein (weiterer) bewusster Schritt, ein bewusstes Ja dazu, noch mehr in diese Berufung aller Heiligen, aller Bodhisattvas, aller Menschen letztlich hineinzuwachsen, den Weg zu gehen, den diese Menschen gegangen sind oder ihn gehen mit dem Ziel, immer mehr in der Hingabe, im Verfügbarsein für andere zu wachsen, um nach meinen Möglichkeiten Leiden helfen zu lindern, Freude, Mitgefühl, Liebe
zu schenken. Mich dorthin führen zu lassen, dort zu sein, wo ich gebraucht werde ebenso wie mich dorthin führen zu lassen und dort zu sein wo ich es brauche. Allen alles zu werden-Mutter, Freundin, Schwester, Begleiterin
und alle mir alles werden zu lassen-Lehrer, Meister, Kind
Das Nähen des Rakusus war ein wunderbarer und wichtiger Teil meines Weges in den vergangen Wochen. Stoffteil für Stoffteil aneinanderzunähen, die Nadel den richtigen Punkt finden zu lassen im Stoff und ihr nicht meinen Willen oder meine Ungeduld aufzwingen zu wollen oder zu können. Die Verbundenheit mit allen Menschen zu spüren, die Buddhas Gewand genäht haben über all die Jahrhunderte, die Zuflucht suchen in Buddha, im Dharma, in der Sangha
In diesem Prozess des Nähens erfuhr ich, wie auf irgend eine Weise alle Bereiche meines Lebens Thema wurden. Es fügten sich mit jedem Stoffstück Szenen aus meinem Leben mit der Familie, Szenen meiner Arbeit, Szenen meiner Vergangenheit an die ich nie mehr gedacht hatte und die plötzlich aufgetaucht sind, aneinander und verbanden sich Stich für Stich miteinander. Das hat mich immer wieder berührt. Gefühle tiefen Friedens, der Freude, des Gebetes, der Hingabe, der Harmonie wenn ich z.B im Spätsommerlicht einen Moment lang unter unserer Birke nähen konnte, oder als wir im Sommer in Südfrankreich an einem Fluss gezeltet haben und buddhistische Zeltnachbarn von uns zufälligmit Flusssteinen in stundenlanger geduldiger Arbeit riesige Stupas gebaut haben, wie geschaffen um in ihrer Nähe dann am Fluss ein paar Stunden an meinem Rakusu zu nähen, sie zu betrachten
Da waren aber auch die Schattenbereiche dabei, Gefühle der Trauer von Menschen die ich begleite, Nachdenklichkeit, eigene Sorgen, die sich auch in mein Leben einweben, eigene mir noch unverständliche Geheimnisse/Koans meines Lebens, die in der Tiefe meines Wesens ihr Werk tun, Geburt, Tod, Verbundenheit mit allen Wesen
Wenn es in den alten Schriften heisst, ein Rakusu sollte aus Stofffetzen zusammengenäht sein, die von Ratten zernagt-, von Kühen gefressen- sind, die Leichen bedeckt haben
so erkenne ich diese im übertragenen Sinne in diesen Teilen wieder auch wenn mein Stoff nur ein schlichter blauer, gekaufter Stoff ist. Stoffstück für Stoffstück wird zusammengefügt zu Buddhas Gewand, zu Reisfeldern, die meinem Leben Nahrung geben. Wenn ich das Rakusu anschaue, so schauen mich alle diese Bereiche an und trage ich es vor meinem Herzen, liegen diese Bereiche auch offen vor den anderen
Das Rakusu zu tragen bedeutet für mich ein immer wieder Bewusstwerdung dessen, ein mich verbinden mit allen Bereichen des Lebens. Es anzuziehen, mich bewusst in innere Haltung des Buddha-Weges zu begeben.
Mit dem Jukai nehme ich Zuflucht zu Buddha. Für mich heisst das nicht, Zuflucht zu nehmen zu einem neuen Gott, der meinen alten ersetzt. Es heisst für mich Hingabe an den Weg der Erleuchtung, heisst ich möchte es zulassen, dass die Erleuchtung in mir sich entfalten kann. Ich nehme Zuflucht zum Dharma, heisst für mich Hingabe darin, durch die Lehren wie auch vor allem durch meine Alltagslernsituationen immer mehr die Zusammenhänge, Muster
verstehen und durchschauen zu lernen und damit auszusteigen daraus, blind auf Situationen zu reagieren in Abhängigkeit von meinen unbewussten Prägungen. Das Praktizieren der Gelübde, mein gelebtes Leben im Alltag schafft den Boden für mein Zazen und mein Zazen bereitet den Boden für mein Leben in der Hingabe an die Sangha, die dritte Zufluchtsnahme. Die Hingabe an ein Leben in Verbundenheit mit den Menschen und allen Wesen.
Der Weg ist das Ziel, die Heiligen, die Bodhisattvas sind ihn gegangen mit Mut, mit Vertrauen, mit Gelassenheit, mit Hingabe, mit Tapferkeit
mein Ja zum Jukai, ein Ja dazu, ebenfalls diesen Weg weitergehen zu wollen.
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dieses Freisein gerade dann wenn alles genau festgelegt, also geplant ist, das ist es was ich bei einem Sesshin erfahre.
Sundro