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wir wissen doch: Der Ochse ist nie vom Hirten getrennt. Das Problem besteht vielmehr darin, dass sich der Hirte vor lauter Denken und Vergleichen des Ochsen nicht gewahr ist. Ephemes obiger Beitrag war ein Hinweis darauf, wie dieser Zustand beendet werden kann. Wenn du darin Angeberei siehst, fällst zumindest du in die Welt des Vergleichens.
Tai:
Was du über Shikantaza schreibst, trifft so auch genau auf die Koanpraxis zu. Das Koan ist dabei lediglich eine Methode, diesen Zustand des So-Seins aufrechtzuerhalten. So eine Art "Gegengift" gegen das stetige Abdriften in Gedanken.
Die sogenannten Hauptkoans kennzeichnen eine Haltung, die sich in letzter Konsequenz von der im Shikantaza beschriebenen nicht unterscheidet. Die gängigsten Hauptkoans sind: "Mu" (=Nichts), "Was ist dies?" und "Hörst du das Klatschen der einen Hand?".
Verschiedene sogenannte Nebenkoans stehen für verschiedene Aspekte der Anhaftung an Gedanken, Wahrnehmungen, Vorlieben usw., die uns immer wieder vom Weilen im So-Sein ablenken. Ein solches Nebenkoan zu "lösen", bedeutet diesen Aspekt zu erkennen und loszulassen. Ist ein solches Nebenkoan gelöst, lösen sich in der Regel eine ganze Reihe anderer, verwandter Nebenkoans gleich mit und das Loslassen vertieft sich.
Beispiel für ein Nebenkoan, das auf einen ganz bestimmten Aspkt des Festhaltens ziehlt:
Unmon: "Wenn du auch nur einem Gedanken folgst, lebst du in der Hölle."
Schüler: "Wenn ich aber nicht denke, was dann?"
Unmon: "Ebenfalls Hölle!"
Keine Koan-Schule der Welt glaubt an so etwas wie stufenweise Erleuchtung. Erleuchtung ist das So-Sein immer genau jetzt. So etwas wie Stufen kann es darin nicht geben.
in Koan-Schulen wird traditionell zwischen den Begriffen "Koan"- und "Hua-tou" unterschieden, wobei sich beides auf dasselbe Koan beziehen kann. (Leute, die sich weniger intensiv hiermit befasst haben, verwenden im Westen heutzutage fast ausschließlich den Begriff "Koan" für beide Prizipien.) Oberflächlich betrachtet sind Koans ja nichts anderes als überlieferte Gespräche meist zwischen Schüler und Meister, aus denen gewissermaßen der Geist des Zen spricht. Sich zur Vertiefung des eigenen Verständnises von Zen (bzw. der eigenen Zen-Praxis) mit diesen Übelieferungen zu beschäftigen, fällt unter den Begriff "Koan". Dies kann und wird ohne Weiteres auch ohne Lehrer durchgeführt - obwohl ein Lehrer hierbei natürlich auch sehr hilfreich sein kann.
"Hua-tou" bezeichnet dagegen die konsequente Ausrichtung auf ein bestimmtes Koan während der eigenen Zen- bzw. Meditationspraxis (im Sitzen, Stehen, Liegen, beim Arbeiten, Essen usw.). Ein solches Koan wird "Hauptkoan" oder "Durchbruchs-Koan" (jap. "hosshi") genannt. Hierbei geht es tatsächlich um den von dir beschriebenen Durchbruch in den Erleuchtungszustand. Diese Praxis wird unter Anweisung eines Lehrers ausgeübt und beinhaltet auch das sogenannte Koan-Gespräch, in welchem der Schüler dem Meister seine Antwort auf die Frage mitteilt und diese vom Meister dann anerkannt oder abgelehnt wird. Obwohl es sicher von Vorteil ist, muss hierbei nicht zwangsläufig gegeben sein, dass du den Lehrer dazu häufig triffst. Es soll auch schon vorgekommen sein, dass ein Schüler eine solche Koanfrage von einem Meister erhielt, dann einige Jahre für sich allein darauf herumgebissen hat und dann mit der Antwort zum Meister zurückkam. In Regel wird aber auch hier ein häufigerer Austausch mit dem Meister sehr hilfreich für den Schüler sein.
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Tai
p.s.: Auch Sundro praktiziert mit Koan bzw. hosshi ...
Tai:
"Die Vorstellung von separaten Wesen (und Dingen)"
- ja genau; so zumindest verstehe ich die dritte dieser vier Arten von Vorstellungen.
"Fühlende Wesen" (mit einem großen F als Hinweis darauf, dass es sich um einen feststehenden Terminus handelt) ist meines Wissens der in deutschen Übersetzungen am häufigsten benutzte Begriff an dieser Stelle. Im Englischen wird meist "sentient being" verwendet. Ich denke aber, man könnte auch einfach "Lebewesen" sagen.
das ist jetzt aber nur mein eigener hausbackener "bunch of crap":
Was immer du erlebst, ist die Ganzheit deiner augenblicklichen Wahrhftigkeit. Die Trennung zwischen dir, anderen, separaten Entitäten und vorgestellten zeitlichen Abläufen sind nur nachträgliche Interpretationen der immer genau jetzt gegebenenen ganzheitlichen Soheit.
Wenn im Erleuchtungszustand alles als die eine Geistsubstanz erfahren wird, erscheint die Vorstellung von separat existierenden Wesen als Illusion bzw. als eine Art von Vorstellung, die dualistische Unterscheidung, Anhaftung und damit den Verlust dieses Einheitszustandes nach sich ziehen.
Wie gelangt man in diesen Zustand? Indem man sich eben genau nicht dieser Art von Vorstellungen hingibt - so zumindest Buddha im Diamant-Sutra.
Tai:
Im Kern sagt ja die Zen-Lehre (bzw. die Lehre des Buddha), dass es weder ein Selbst noch andere gebe und somit auch Egoismus eine illusionäre Verhaftung sei. Im Diamantsutra werden diesbezüglich vom Buddha vier Arten von Verblendungen aufgezählt, die dualistisches Denken entstehen lassen und dabei zu emotionaler Anhaftung führen:
1. Die Vorstellung von einem Selbst.
2. Die Vorstellung von anderen.
3. Die Vorstellung vom (separaten) Fühlenden Wesen.
4. Die Vorstellung von einer Lebensspanne (Zeit).
Das heißt, im Zustand der Soheit bzw. im Erleuchtungszustand, den der Buddha in den Sutras beschreibt, kann es diese Unterscheidungen nicht geben, weswegen sie auch als gedanklich konstruierte Vorstellungen und in diesem Sinne als Illusionen bezeichnet werden.
Alle mir bekannten Zen-Meister und Zen-Praktizierenden (inklusive mir selbst) sind gleichzeitig ganz normale Menschen. Auch wenn sie in dem ein oder anderen Samadhi den Zustand des Einsseins erfahren haben mögen, halten bzw. hieleten sie doch in ihrem Alltagsdenken an den oben genannten dualistischen Unterscheidungen fest und schleppen allesamt ein riesiges Ego mit sich herum (das Ego der Zen-Meister ist aufgrund der besonderen Rolle, die sie oft seit Jahren spielen, i.d.R. wahrscheinlich eher noch ein bisschen größer als das der anderen). Dennoch können sie großartige Lehrer oder Praktizierende sein und dir helfen, den Zustand der Soheit in deiner Praxis zu verwirklichen. Wärest du permanent in diesem Zustand, gäbe es natürlich kein Ego. In einer Art Zen-Moral Egoismen abzulehnen, zu bekämpfen oder zu verbannen, ist dagegen eine weitere sehr dualistische Herangehensweise ans Leben, die mit der Lehre des Buddha - so wie ich sie verstehe - nicht vereinbar ist.
Tai:
Klingt übrigens auch ganz schön "zennig", dieses Statement von dir - von der Überschrift mal abgesehen. Wenn dann zum Schluss noch die Aufforderung anschlösse, sich statt dieser ganzen Zen-Verblendung (die du treffend beschreibst) lieber mit ganzem Herzen der eigenen Zen-Praxis hinzugeben, dann könnte das eins zu eins so auch von einem der alten chinesischen Meister stammen.
ich war mal in einer Zen-Gruppe einige Jahre für die Einführung von Neuankömmlingen zuständig und diejenigen, die zuhause für sich auch schon alleine praktiziert hatten, brachten, was Offenheit, Power und Motivation betrifft, häufig viel geeignetere Vorraussetzungen mit, als Schüler von anderen Gruppen bzw. diejenigen, die von einer Gruppe zur nächsten tingelten. Auch innerhalb einer Zengruppe praktizierst du ja letztlich auch für dich allein.
Natürlich macht es Sinn, sich nach geeigneter Anleitung umzusehen. Aber die kann bis zu einem gewissen Grad sicher auch der Zen-Literatur entstammen. Meiner persönlichen Erfahrung nach gerät man beim Praktizieren von Zen auch immer wieder mal in die ein oder andere "Sackgasse" und da ist ein Lehrer schon hilfreich. Eine Gruppe ist besonders hilfreich, wenn es darum geht, die nötige Disziplin zu entwickeln.
Wenn du keine (geeignete) Gruppe findest, würde ich dir auf jeden Fall empfehlen, nach einer dich überzeugenden schriftlichen Anleitung erst mal alleine Zen zu praktizieren. Hast du eine gewisse Grunddisziplin entwickelt, kannst du ja ohne weiteres auch mal einen Lehrer in einer anderen Stadt aufsuchen, ihn oder sie befragen oder auch an einem Sesshin teilnehmen.
Tai:
Interessant, dass du das beneidenswert findest. Nicht, dass es so, wie es ist, für mipooh nicht genau das Richtige sein wird. Und im weltlichen Verständnis ist eine solche, aus einer gewissen Lebensweisheit geborene Zufriedenheit sicherlich ausgesprochen anstrebenswert. Aber das Leiden ist eine Triebfeder für starke Praxis.
Die Lebensgeschichte des Buddha zeigt dies besonders anschaulich. Aus tiefem Leiden über das (Immer-Wieder-)Geborenwerden, das permanente Altern, die Krankheit und den Tod brachte Buddha diesen unglaublichen Willen zu einer Praxis auf, die ihn nach etlichen Wirrungen letztlich die Erleuchtung erfahren ließ. Fast alle, mir bekannten Lebensgeschichten großer Zen-Meister weisen ein ähnliches Muster auf. Natürlich hätten sie oder der Buddha sich mit dem, worunter sie litten, auch abfinden können. Aber gerade das haben sie nicht getan, sondern stattdessen eine für unsere heutigen Begriffe unvorstellbar starke Praxis entwickelt.
noch mal zum Thema gedankenleres Gewahrsein: Wie ich an anderer Stelle versucht habe, auszudrücken, geht es bei diesem 'gedankenleeren' oder wie man im Zen auch gerne sagt 'gegenstandslosen Gewahrsein' nicht nur darum, einen Zustand zu etablieren, der frei ist von gedanklichem Anhaften. Sondern auch frei von Anhaftung an Formen, Gefühlen, eben Gedanken, Wollen und Bewusstsein (5 Skandas). Das heißt, wenn du denkst "ich denke nicht ... ich denke nicht ..." ist eben genau das immer noch ein Denken. Und wenn du dich hinsetzt und ein gegenstandsloses Gewahrsein erreichen {f}willst{/f}, steht genau dieses Wollen dem gegenstandslosen Gewahrsein gleichzeitig im Weg. Das sind halt so typische Schwierigkeiten, mit denen man sich in der konkreten Zenpraxis herumschlägt. Leute, die nur darüber reden, wissen meist nicht unbedingt viel von dieser Art von Problemen.
Noch bevor ich mich selber hier in diese Diskussion überhaupt eingeschaltet habe, schrieb dir unsui genau das - wenn auch mit etwas anderen Worten. Er schrieb:
Zitat unsui: "... das Problem ist das Wollen und das Bewußtsein, ein Ziel erreicht zu haben oder erreichen zu wollen ... wenn ich also Gedankenlosigkeit erreichen will, steht Wille dahinter und wenn ich denke, ich sei gedankenlos, stecke ich tief im Begehren und im Denken über Nichtdenken ... das ist aber ganz anders als (tatsächliches) Nichtdenken ... (tatsächliches) Nichtdenken ist Gewahrsein auf das, was jetzt kommt und geht (...) wenn also gesagt wird: "Ich denke nicht" gibt es eine Trennung zwischen dem ICH und der Welt" Zitat Ende