Zennist: Als erschreckende Tendenz empfinde ich die für selbstverständlich gehaltene Forderung nach der Todesstrafe für die Verursacher der Attentate, die in den letzten Tagen von verschiedenster Seite ausgegangen ist. Im Namen einer höheren Gewalt wird nach einer Konsequenz gefordert, deren Entscheid niemandem zusteht. Ist das nicht genau das, was man den Massenmördern vorwirft?

Ken

testONE: Ja, Sprünge bekommen hat eine Fassade, eine die schon äußerst perfekt war. So sehr zumindest, dass einige Menschen wie aus einem Tiefschlaf gerüttelt wurden. Das Raketenabwehrsystem der USA sollte ein Schritt in eine Richtung sein, ein Land, ein Welt (eine eigene kleine Welt) unangreifbar zu machen. Die Rüstungsindustrie der USA ist die technologisch ausgereifteste, alles auch Mittel um Unangreifbarkeit zu demonstrieren, vielleicht sogar Unbesiegbarkeit - Amerikas, der westlichen Welt, der Demokratie, der Freiheit. Fragt sich doch, wenn eine Demokratie so stark ist, wenn sie so gut ist, warum muss man sie dann noch so stark militärisch verteidigen ?
Hat eigentlich mal jemand nach den Motiven der Täter gefragt? Sie scheinen sich und ihre Welt auch bedroht gefühlt zu haben.

Ralf54: In der Tat, Andreas. Da bleibt der - oft so wenig bemühten - Vorstellungskraft wenig zu tun übrig. Gerade dies ist aber auch eine Chance, verstärkt über die vier edlen Wahrheiten nachzudenken; insbesondere über die Wahrheiten vom Leiden und seinen Ursache.
Meine Sicht dieser Dinge in Bezug auf den schrecklichen Anschlag habe ich ja bereits versucht, anzudeuten: eine Ökonomie der Gier, die sich auf eine Politik des Hasses und der Verblendung stützt, kann ihrerseits nur Gier, Hass und Verblendung erzeugen. Insofern sind die Ziele - World Trade Center und Pentagon - von kaum zu übersehender symbolischer Bedeutung.
Ich hoffe, mein letzter Beitrag hat nicht den Eindruck von Kaltschnäuzigkeit erweckt. In der Tat macht die ständige Konfrontation mit den Schreckensbildern und -nachrichten es z.Z. schwierig für mich, Zazen zu üben. Ich versuche dem zu begegnen, indem ich mich bemühe, so etwas wie Metta-Meditation zu praktizieren. Der Übergang zur Tagesordnung ist nicht leicht, aber er ist notwendig.
Gruss,
Ralf

Pilger-Ho: Es ist wohl weniger die Nähe zu den Amerikanern als die Realität der apokalyptischen Bilder. Wenn zwei Passagierflugzeuge in das World Trade Center fliegen, gleicht das der Szenerie eines Katastrophenfilms Marke Hollywood oder einem PC Game.
Ich denke, daß es in Havanna oder der Hauptstadt Nordkoreas das gleiche Entsetzen erweckt hätte.
Tragödien gibt es in jeder Sekunde in der Welt, nur habe ich noch nie den Eindruck gehabt, in einem miesen Streifen im Kino zu sitzen oder gar ein Computerspiel ist auf dem Bildschirm. Und dann die Bilder der aus dem Fenster Springenden.
Aber wenn die Afghanen leiden müssen, ist das genauso Unrecht.

Zennist: In der Tat: täglich überall Tod und Zerstörung, doch erst ein drastisches Ereignis wie dieses erreicht uns, schreckt uns auf. In Gesprächen hörte ich inzwischen, es läge daran, dass uns Amerika so nah sei, und dass man so etwas in Krisengebieten, in Gebieten des Krieges vermuten würde, aber doch nicht in den USA.
Was mich zu dem vielleicht provokanten Gedanken führt, dass hier, bei der Zerstörung der beiden Türme, symbolisch die elementaren Werte unserer "zivilisierten Welt" (Schröder u.a.) mit ins Wanken geraten sind. Was als sicher galt, ist nicht mehr sicher. Demokratie und Freiheit, inwiefern auch immer sie bisher gewährleistet gewesen sein mögen, sind angreifbar geworden. Das, was der Welt als bestmögliches System verkauft wurde, ist getroffen. Doch damit ist auch der Glaube des westlich denkenden Menschen an dieses eben auch von Kapitalismus und Materialismus bestimmten System angegriffen. Das Paradies ist im Herzen getroffen. Die Fassade ist brüchig geworden. Fragt sich, wie lange.

Gruß,
Ken

Ralf54: Marcuse behauptete, es sei barbarisch, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben. Trotzdem wurden seither unzählige Gedichte geschrieben - darunter sogar einige gute. Es lässt sich gut leben als Barbar unter Barbaren.
Vergessen wir bei aller Bestürzung nicht, dass Terror jederzeit, überall stattfindet.
Ich will niemandem das Recht auf Trauer und Entsetzen bestreiten - das sind auch meine Empfindungen. Doch was ist so Besonderes an diesem Anschlag? Die schiere Quantität des Leides und Schreckens? Zur Zeit sterben TÄGLICH ca. 24000 Menschen an Hunger, 18000 davon Kinder. Keiner hängt dafür die Fahnen auf Halbmast - obwohl die meisten dieser Toten auch Terroropfer sind.
Oder ist das Besondere, dass es diesmal Amerikaner sind, die die Erfahrung machen müssen, dass Kriege in erster Linie gegen Zivilisten geführt werden? Wo ist die weltweite Trauer und das Entsetzen, wenn Panzer ihre Granaten in Wohnviertel und Flüchtlingslager feuern? Macht es einen Unterschied, ob die Täter autorisiert sind (durch eine vielleicht sogar demokratisch legitimierte Regierung) oder aus eigenem Antrieb handeln - ob es sich also um Soldaten/heldenhafte Patrioten oder um Terroristen/feige Mörder handelt? Sicherlich macht es das für unsere politischen Eliten, die so lautstark ihren Abscheu kundtun.
Das Bestürzende ist vielleicht, dass uns dieser Anschlag zu Bewusstsein bringt, dass wir alle Geiseln in einem globalen Krieg sind. Wir sollten uns fragen, ob dieser Krieg nicht auch ein Stück weit in unserem egoistischen Interesse oder womöglich sogar mit unserer mehr oder weniger stillschweigenden Zustimmung geführt wird - auf der einen oder der anderen Seite.
Dann können wir so weiter machen. Wir müssen so weiter machen. Zurück zur Tagesordnung.
Gruss,
Ralf

Zennist: Wahrscheinlich genau wie du saß ich gestern und heute gebannt vor dem Fernseher, wo man Bilder sah, die man nicht von filmischen Katastrophen-Szenarien zu unterscheiden in der Lage war. Der fassungslose Blick auf das Leiden, dass uns gerade wieder mal drastisch vor Augen geführt wird, bleibt hilflos. Doch das, was wir im Fernsehen sehen, ist nichts Neues, passiert täglich, im Kleinen wie im Großen, überall auf der Welt, im Universum, von Sekunde zu Sekunde. Und die Quintessenz bleibt, dass wir nicht in der Lage sind, den Verlauf der Welt zu ändern. Wir können Tod und Zerstörung vielleicht aufschieben; aufhalten können wir sie nicht. Selbst Politiker mit all ihrer scheinbaren Macht können es nicht. Die Macht des Menschen bleibt allzu begrenzt. Das Paradies auf Erden, dass wir uns unterschwellig oder wie auch immer wünschen, ist nicht herstellbar. Samsara bleibt bestehen - unausweichlich, allem menschlichen Willen trotzend.

Was können wir tun? Wo können wir überhaupt anfangen? Nur bei uns. Indem wir uns ändern; indem wir uns transformieren. Indem wir den Ausweg aus dem Leiden, aus Samsara finden, und somit auch anderen die Erlösung von Tod und Zerstörung aufzuzeigen in der Lage sind. Indem wir unsere in diesem Moment, in dieser Existenz so glückliche Lage nutzen und nicht Zeit vergeuden.

Ken

Pilger-Ho: Mitgefühl mit den Amerikanern ist wohl auch nur ein Gefühl, aber es ließ mich ins Blutspendezentrum gehen. Zwar durfte ich kein Blut spenden und ob es überhaupt in die USA gelangt wäre, ist nicht sicher, aber es ein Zazen der besonderen Art. Und hier hat sich wohl schon etwas geändert.

Ketelhohn: Hallo
Andreas
Ja,
denn sonnst lassen gefangennehmen,
von unseren gedanken und gefühlen.
Ich denken,es ist besonderer grund
unsere Übung zu vertiefen .
Gruß
Roland

Ketelhohn: Hallo Ken,
natürlich nicht,aber wir sind Menschen
und als solche haben wir gfüle emotionen
usw. wenn man diesen nicht auch mal rechnung trägt und seinen schmerz und entsetzen herrausläst dann sind wir keine menschen mehr.
Auserdem glaube ich wenn man immer alles inn sich hineinfrisst dann wird mann innerlich zerfressen und läuft nur noch als zombie herum.

Gruß
Roland

Pilger-Ho: In uns vielleicht. Wenn ich durch meine Stadt fahre, ist nicht nur in den Fernsehern der U-Bahn davon zu sehen, mir scheint nicht nur in mir eine Lähmung zu sein. Im Dharma-Buchladen habe ich mir die Zen-Bücher angeschaut, doch kaufen konnte ich mir keines. Die Antwort Warum ist nicht wichtig! Hier kann jederzeit ein Flieger in die Stadt fallen, auch ohne Terrorist.
Die Welt dreht sich genau wie gestern um 12 Uhr, nur die Lähmung in meinem Inneren ist da und ich nehme sie wahr.
Andreas

Zennist: Haqt sich grundlegend etwas geändert am Verlauf der Welt?

Ken

Pilger-Ho: Deshalb macht das Beobachten von Wolken und das Reisen mit ihnen so viel Spaß. Sie sind nie starr und ändern ihre Gestalt ständig.

Layman_Ho: Das Ich ist wie eine Wolke, die Einsicht ist wie der Wind. Eine Wolke mit der Zange festhalten und den Wind mit dem Hammer dran festnageln zu wollen ist eine Arbeit für Narren ;)

( ) Ho to Ho

Pilger-Ho: 1. keine Wolke am Himmel;
2. die Sonne scheint mir aufs Haupt;
3. der Regen trocknet ab;
4. das Sonnenstudio macht keine Kasse;
5. ...
...
der Himmel ist blau ;o) Punkt

like-this: Hallo Pilger-Ho, ich denke diese Geschichte muß man im Licht von Nicht-Unterschied lesen. Es gibt keine gesonderte Wahrheit hinter den Dingen. Welche Tiefe Meister und Schüler haben, spielt hier meiner Meinung nach keine große Rolle. Wenn wir loslassen, ist alles wie es ist wunderbar. Das ist wirklich eine schöne Geschichte.

Der Himmel ist blau. Was bedeutet das?

Pilger-Ho: Was daran gegen den Strich ist, will mir nicht einleuchten bei dieser urigen Geschichte. Ist ein Meister immer der Unterweisende? Darf er nicht auch etwas dazu lernen? Und Lao-chung ist ein gewitzter Schüler ;o)