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"Hallo", sagt jemand. Ich sage auch: "Hallo". Wo stehen wir denn gerade? Ach so, am Rand einer Wiese. "Du bist von da gekommen?", frage ich, zeige in östliche Richtung. Nicken. "Ich kam von da", sage ich, zeige nach Süden. Schweigen für einen Moment. "Also ich bin ich, und Du bist Du. Wollen wir's so halten?", frage ich. Du nickst. "Ich bin ich, und Du bist Du", erklärst Du.
"Hast ganz schön viel Staub auf den Schuhen. Weiter Weg gewesen bis hierher?" - Neinnein. Da wäre nur so ein staubiger Pfad am Waldrand gewesen. "Und da bin ich ein bißchen geschlurft. Deshalb der viel Staub", erklärst Du. "Tja, ich bin heute soweit bloß auf Asphalt gegangen", sage ich, zeige auf den stumpfen Glanz meiner Schuhe. "Sind das Lloyd-Schuhe?", fragst Du. Nicken. Jaja, ich trage nur Schuhe von Lloyd. "Naja", meinst Du. Es gebe halt Schuhe, die einen zum Elefanten machten. Andere erzeugten das Katzengefühl. "Und diese Pätschchen hier, die ich gerade trage, die liegen so etwa zwischen weißer Wölfin und schwarzem Schaf". Oh, eine weiße Wölfin! Da habe ich mal eine gesehen im Basler Zoo. Jeder Schritt einfach nur beneidenswert elegant. "Wie kommst Du denn in den Basler Zoo?", fragst Du. Der liege doch in der Schweiz! Ja gut, sage ich. Ich mußte natürlich vorher über die Grenze. Und der diensthabende Grenzbeamte hat mich natürlich schon gemustert. Aber er muß gleich gemerkt haben, daß ich in friedlicher Absicht komme. Und außerdem... "Außerdem, was?" Naja, mein Kopf. Die Schädelform, und so. - Wieso? Was denn damit wäre? Daß Du nichts Besonderes erkennen könntest an meinem Kopf, sagst Du nach einem kurzen Sondierungsblick. - "Ja aber ein Schweizer Grenzer sieht halt sofort, daß ich ein Alemanne bin, vor dem seine Vorfahren sich allenthalben noch gefürchtet haben", erkläre ich Dir. "Ach, ein Alemanne", sagst Du. Fragst, ob wir jetzt mal ein paar Schritte über die Matte machen sollen. - Oh, Du sagst Matte. Und nicht Wiese. Kennst Dich also mit dem Alemannischen aus? - Naja, es gehe so, meinst Du. Schlägst vor, im Hochdeutschen zu bleiben. "Sagen wir Wiese zur Wiese. Sonst kommen wir, wenn wir sie auch noch als Matte bezeichnen, am Ende bloß durcheinander", erklärst Du. "Soll mit recht sein", sage ich. - Ja was ist? Wir wollten doch ein paar Schritte über die Wiese... - Über die Wiese? Ach so. Na klar.
(Fortsetzung folgt)
Gitarre, das ist (oder war) Django Reinhardt für mich. Seine Interpretation von "Lady be good" klingt mir gerade fragmentarisch im Ohr. Aber Du hast recht. Ich bin wohl mehr in den Worten zuhause. Denn im selben Moment fällt mir eine kleine Geschichte von Django ein, die sehr tief mit den Worten zu tun hat. Er war in New York. Irgend ein großer Auftritt, Carnegie Hall, glaube ich. Allein wer nicht bzw. eine Stunde zu spät im Konzertsaal erschien, war Django. Was war passiert? Er hatte unterwegs einen Franzosen getroffen. "Ah, ein Franzose?! Endlich einer, mit dem man sich anständig unterhalten konnte!! Diese Amerikaner mit ihrem Amerikanisch verstand ja kein Mensch!" Angeblich, so wird's erzählt, war Django so beglückt, auf diesen Menschen seiner Muttersprache getroffen zu sein, daß ein einstündiges Geplauder wurde aus der Begegnung. Das rührt mich. Rührt mich fast mehr als die Erinnerung an seine Musik.
Mit Jimi hatte ich's damals nicht so. Zu undurchsichtig und zu wild. Machte meiner braven Natur wohl eher Angst. Die hielt sich dann eher an Süsän und Märiän von Zen-Bruder Cohen. Aber auch wenn ich an den jetzt denke, fällt mir etwas mit Wortbezug ein. Er war, wie Du vielleicht weißt, vor einiger Zeit für fünf
Jahre in einem Zen-Kloster. Seine Aufgabe war die Essenszubereitung für einen alten Zen-Mönch jenseits der neunzig, erklärte er irgendwo in einem Interview. Und jetzt paß auf, mipooh, was dieser Zen-Greis gesagt haben soll: "Wenn wir im Paradies leben würden, gäbe es keine Restaurants", hat er laut Cohen gesagt. Aber was ist nun? Konnte man doch so mal sagen. Als ich es vor ein paar Jahren las, kam es wie ein Keulenschlag an. Als würde Zen jenseits neunzig sagen, daß ein Leben im Paradies gar nicht möglich ist... Aber sagt er ja gar nicht mit dem, was er sagt... Sei's drum...
"African marketplace" von Dollar Brand ist die Musik, die ich zuletzt wieder und wieder gehört habe. Musik im steten, immer schon dagewesenen Herz-Lungen-Rhythmus des Lebens. Ich habe noch das Cover der Schallplattenversion. Es hängt bei mir an der Wand. Nehme an, daß Du es kennst. Ein Aquarell, das die rote Erde Afrikas zeigt, und Frauen, in ihren bunten Gewändern, die auf dieser Erde sitzen oder einhergehen.
Musik - ja, ich denke an Musik, aber was mir einfällt, sind Geschichten. Ein italienischer Tenor. Ein kleiner Mann, extra hohe Absätze an den Schuhen nicht zu übersehen. Und da bricht ihm doch, wie er die Liebesarie von Rodolfo an Mimi im ersten Akt von La Bohème singt, mittendrin die Stimme ab. Buuh...buuh...das Publikum buhmte. Mir, auf hinterer Reihe im Operngestühl bricht der Schweiß aus und ich fange an zu zittern. Bin kurz vor dem Weinen, so leid tut mir der arme Kerl. Doch dann, im vierten Akt, noch einmal eine Arie, bei dem der kleine Tenor sich beweisen muß. Er schafft es. Das Publikum bricht in frenetischen Beifall aus. Und ich kann's nicht mehr verhindern, nun muß ich nur noch weinen... Schon komisch, was man im Leben so alles feststellen muß an sich...
Soviel für grade - Gruß Franz.