mipoohji:
Zum einen, weil manche Vorstellung über Zazen mit meinem Erleben so gar nicht übereinstimmt, zum anderen, weil ich finde, dass darüber zu wenig zu lesen ist, möchte ich mal aus meiner Perspektive, meinen Erfahrungen und meinem Nachdenken den Versuch machen Zazen zu beschreiben.

Warum auch immer Menschen zum Zen gekommen sind, was immer sie dort zu suchen oder finden zu können glauben, sie alle landen irgendwann beim Zazen.

Dies wird oft mit "einfach nur sitzen" bezeichnet, vor allem in der Soto-Schule, wobei dann der genauere Begriff dieser Übung Shikantaza wäre.

Es gibt keinen wirklichen Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen, Zazen heisst eigentlich Sitzmeditation und genau dies passiert ja auch beim Shikantaza.
Es gibt aber durchaus kleinere Abweichungen vom "einfach nur sitzen", die zB darin bestehen können, währenddessen ein Koan "lösen" zu sollen/wollen, also eine bestimmte Fragestellung aus einem Katalog von Koan in sich zu bewegen, bist einem klar wird, "worum es dabei geht", aber es gibt zB auch die Anweisung, seinen Atemzügen mit seiner Aufmerksamkeit zu folgen.

Wie auch immer, es besteht zunächst eine Konzentration auf eine bestimmte "Sache", woran man sich bei irgendwelchen Abschweifungen während des Übens immer wieder erinnern kann, um zurückzufinden zu dem was man nun "eigentlich tun wollte".

Das, was ich da genannt habe "etwas das man nun eigentlich tun wollte", ist die Übung des Zazen, dies und nichts anderes möchte/sollte der Übende während dieser (meist) festgelegten Zeit des Übens tun.

Was passiert da nun?
Der Übende, wie gesagt, konzentriert sich zunächst einfach auf seine Art zu üben (Shikantaza, Koan, Atem oder was immer ggf ihm sein Lehrer angetragen hat oder er sich mangels Lehrer ausgesucht hat. Koan wird es dann eher nicht sein.)
Durch diese Konzentration, die nicht krampfhaft ist - so schwer ist es ja nun nicht, sich darauf zu konzentrieren - beginnt der Übende, zu seinen Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühlen, Intuitionen, Erkenntnissen, Handlungsimpulsen eine gewisse Distanz zu bekommen. Dies geschieht ganz von selbst, weil er ja seine Aufmerksamkeit bereits ausgerichtet hat und zwar weder auf seine Wahrnehmungen.... hier kommt die gesamte Aufzählung noch einmal, sondern auf sein Üben (was ja durchaus so automatisiert sein kann, dass er selbst das nicht mehr "tun muss").

Verliert der Übende diese Konzentration, wird er evtl einem dieser Dinge "anhaften", geistig daran hängen, sie betrachten, einen Gedankengang fortführen, bis ihm irgendwann bewusst wird, "oh, ich wollte ja meine Übung machen" und er wird dann zu der Übung (von der ich ja bereits sagte wie sie aussehen kann) "zurückkehren". Man könnte auch sagen wieder neu beginnen.
(In mancher Schule wird jemand vielleicht seine Atemzüge bis 10 zählen und dann bei 1 wieder anfangen. Er wird an dieser Stelle oft gar nicht mehr wissen, bis wohin er vor der Ablenkung gezählt hatte und fängt halt bei 1 wieder an.)

Mit der Zeit wird die Konzentration auf die Übung sich ähnlich verselbständigen wie Schwimmbewegungen beim Schwimmen, Lenken und Schalten beim Autofahren, die Übung selbst wird zu einer nahezu automatisierten Handlung. Da muss der Übende dann nicht mehr oft etwas tun.

Er übt einfach und gerät in eine Beobachterrolle. Nicht die eines kritischen Beobachters, dem keine Kleinigkeit entgehen dürfte, sondern des eher unbeteiligten Beobachters, der alle Dinge kommen und gehen lässt, wie sie es eben ohne ein besonderes Zutun von selbst tun. Er lässt einfach geschehen.

Es wird alles mögliche geschehen, denn natürlich geht das Leben weiter. Es sind Wahrnehmungen da, die nicht beachtet vorbeiziehen, Gedanken, Gefühle vielerart, plötzliche Erkenntnisse, Trancen, Handlunsimpulse ("ich muss gleich aufstehen, bestimmt ist die Zeit bald um" oder "ich kann nicht mehr sitzen"... oder oder oder)
Nichts davon muss zwangsläufig für jeden gleich passieren, all diese Dinge werden während der Zennie-Karriere mehr oder weniger häufig auftauchen.

Der Übende übt weiter. Er möchte in dieser Zeit nichts anderes tun als die Übung zu machen und so gewinnt er mehr und mehr diese Art Distanz zu den Dingen, die um ihn herum und auch zu denen, die in ihm selbst geschehen.

Dabei fallen ihm auch Dinge auf. Eine Idee, die ihm gestern wichtig war, kann er heute unbeachtet lassen. Ein Geräusch, was ihn eben noch störte, findet er auf einmal angenehm, der Impuls, jetzt und sofort unbedingt aufstehen zu müssen, wird zu einem kurzweiligen Erlebnis unter vielen. Es können sogar Ideen auftauchen die völlig hirnrissig sind, Dinge, die zusammanhanglos oder in falschen Zusammenhängen als Unsinn vorbeiziehen dürfen...

Mehr und mehr entsteht eine Situation, in der der Übende über längere Zeiträume (hier ist erstmal von Sekunden die Rede, wenn er sie denn messen würde) eine ruhige Distanz zu Dingen gewinnt, die ihn womöglich im bisherigen Alltag "aus dem Häuschen gebracht hätten". Er weiss schon, was er da tut, er übt sein Zazen. Aber er denkt selbst daran nicht mehr, es wird zu einer Gewohnheit, zu einem gelernten Erleben (für den Zeitraum des Übens).

Er erlebt all die Impulse, die ihn üblicherweise zu Handlungen bewegen ohne dass es diesmal so ist. Er "muss" nicht mehr reagieren, nicht einmal auf sich selbst. Er übt einfach weiter.

Später nehmen die Sekunden, die Zeiträume entweder an Zeit oder an "Tiefe" oder beidem zu und es kann zu Selbstvergessenheit kommen. Dies in völliger Wachheit und ohne dass irgendeine Wahrnehmung gestört sei oder irgendein Gedanke, ein Gefühl nicht vorkäme. Sie bewirken nur nicht mehr die gewohnten Reaktionen.

Die wache Selbstvergessenheit wird im Nachhinein als tiefe Entspannung erlebt (währenddessen wird sie ja gar nicht bewertet, sondern erlebt wie ein "im Gleichgewicht sein") oder auch als "völlige Ichlosigkeit". Es kann sein, dass in dem Moment der Wahrnehmung dieses "Zustandes" es zunächst einmal unmöglich erscheint, noch zu wissen wer oder wo man ist. Oder eine Unterscheidung zwischen dem Wahrnehmenden und der Wahrnehmung wird auf einmal als nicht vorhanden (gewesen) erlebt.

Es ist ein Zustand großer bis völliger Harmonie, völliger Natürlichkeit, großer Gelassenheit, tiefer Befriedigung/tiefen Friedens... wie auch immer... diese Interpretationen/Bewertungen folgen immer erst nach dem Erleben, das Erleben selbst ist wach und doch unbewusst (im Sinne eines reflektierenden und etwas festhaltenden Bewusstseins).

Was immer geschieht, sei es eine tiefe Einsicht, sei es eine Erleuchtungserfahrung, nichts wird bewertet, alles wird einfach erlebt wie es ist und immer wieder kehrt der Übende auch zur Übung zurück (wenn er bemerkt dass er abgedriftet ist).

Was gewinnt jemand nun, der in solcher Weise übt?
Ich möchte sagen, er gewinnt eine Distanz zu den Dingen und zu sich selbst, die ihm ermöglich, einfach zu "sehen", was ist. Er muss weder bewerten, noch muss er handeln, er unterliegt keinen Zwängen welcher Art auch immer, er erlebt, dass Geist frei und ungebunden ist. Zumindest weiss er anschliessend, dass dies - auch für ihn - so sein kann, konnte und wahrscheinlich auch wieder so sein wird.

Eine Distanz zu sich selbst zu gewinnen, was bedeutet dies nun für einen Menschen, der in völlig normal üblicher Weise in ein konkretes Leben eingebunden ist?
Er hat die Gelegenheit eine Einsicht zu gewinnen. Eine Einsicht, wie das Leben ist, wenn er nicht seine Rollen spielen muss, wenn er nicht reagieren muss, wenn er keinen Unterschied wahrnimmt zwischen sich und anderen(m). Er gewinnt eine Toleranz, wo er bisher keine haben durfte, eine Gelassenheit, wo er bisher in höchster Anspannung lebte, eine Geborgenheit in einem Sein, das oft feindlich wirkte, eine Heiterkeit, wo sonst oft Trauer war.... was auch immer. Nicht alles davon jedesmal, auf längere Sicht wird er aber alle diese Dinge und viel mehr erfahren.

Dieses Erfahren und auch viele der (Neu)Bewertungen im Anschluß an das Üben und das woran man sich erinnert, helfen, auch im Alltag nicht völlig zu vergessen, dass es auch "etwas anders gibt". Auch hier ist das alles einerseits völlig individuell, andererseits prinzipiell für jeden so, irgendwann... irgendwie...

Zusammenfassend könnte man sagen, der Übende gewinnt an Weisheit.

Und all dies geschieht nur dadurch, dass er beharrlich immer wieder eine Übung macht, die objektiv gesehen völlig sinnlos ist...

Darum ist diese Übung so schwer einzuschätzen, darum sind oft Menschen mit dem Ergebnis nicht zufrieden und üben nicht weiter oder suchen nach einer Technik, die "besser funktioniert". Nicht dass es sowas gäbe... ich kenne mehrere, sie bewirken alle dasselbe, Meditation nenne ich das normalerweise und meine damit das, was nach Beginn des Übens "einfach geschieht". Ohne ein weiteres Zutun als nur die einem selbst zugewiesene oder von einem selbst ausgesuchte Technik anzuwenden.

Ich wünsche Euch allen, dass Ihr den Wert dieser Übung (er)kennt.

Gruß und für Helmut und alle die es erkennen ein "Platsch" (ursprünglich das Geräusch von Taubenscheisse beim Auftreffen auf dem Haupt einer Buddhafigur über die die Taube in dem Moment gerade flog)

mipooh
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