Hallo,
der/die Ein oder Andere wird anhand meiner Fragen in zwei anderen threads schon erkannt haben, dass ich dazu neige eher planend und analysierend an die Dinge heranzugehen, anstatt erst einmal zu tun; zu schauen wohin dieses Tun mich gebracht hat, um dann das weitere Tun an der erworbenen Erkenntnis neu auszurichten.
Diesen Charakterzug habe ich mittlerweile als zu mir gehörend erkannt und angenommen. Seitdem nützt er mir eher, anstatt mich daran zu hindern am Leben teilzunehmen. Ich gebe ihm Raum, aber nicht mehr die Herrschaft über mich.
In diesem Sinne erlaube ich mir eine letzte vorbereitende Frage zu stellen(oder vier ;-)), um dann zu entscheiden, ob und wann ich mich auf diesen, den Zen-Weg, einlassen mag:
Wie hat sich Dein Fühlen, Denken und Handeln durch das Gehen dieses Weges verändert? Wie geht es Dir mit dieser Veränderung? Empfindest Du sie als wünschenswert? Falls nicht was motiviert Dich weiterzumachen?
Zum Hintergrund dieser Fragen: Wie ich schon sagte, haben mich die Veränderungen von Menschen in meiner Umgebung, welche den Zen-Weg gehen, neugierig gemacht ... aber auch irritiert und verunsichert. Konkret sind es fünf Personen. Alle praktizieren seit mehreren Jahren in Gemeinschaften und haben sich Lehrern/Meistern angeschlossen. Doch an dem Punkt hören die Gemeinsamkeiten auf. Die Entwicklung der Einzelnen könnten unterschiedlicher nicht sein. Ich versuche einen kurzen Überblick:
Bei der einen Freundin ist nach außen hin kaum einer Veränderung erkennbar. Sie ist und war eine ausgeglichene, ausgleichende und kraftvolle Persönlichkeit. Nach eigener Auskunft hat sich die ihr eigene innere Zufriedenheit und ihr Einverständnis mit dem was ist durch das Gehen des Weges lediglich vertieft und stabilisiert.
Eine andere Freundin berichtet davon, dass die Praxis ihr Zugang verschafft hat zu einer Ebene auf der die sie ansonsten sehr belastenden Selbstzweifel stark relativiert werden und ihr Kraft und Mut zufließen sich dem Leben auszusetzen. Diese Veränderung ist nach außen hin in meiner Wahrnehmung eher subtil, aber spürbar.
Bei einem anderen Freund hingegen könnte die Wandlung kaum augenfälliger sein: Von einem asozialen Kriminellen (sein eigener O-Ton) zu jemandem der seine Erfüllung weitgehend darin findet, sich und sein Tun in den Dienst verschiedener Gemeinschaften zu stellen. Da ich ihn sehr lange und gut kenne, erlaube ich mir die Behauptung, dass diese Wandlung authentisch ist und nicht die Folge von Gehirnwäsche o.Ä..
Irritiert und verunsichert bin ich jedoch durch die Entwicklung der beiden letzten Personen, denn ich empfinde sie als ausgesprochen unangenehm. Beide würde ich heute als intolerant, engstirnig, rechthaberisch, feindselig, verkrampft, humorlos und unaufrichtig bezeichnen. Die Diskrepanz zwischen dem gerne und oft von ihnen verkündeten Anspruch an sich und Andere einerseits und ihrem Verhalten andererseits ist ebenso erstaunlich wie die Tatsache, dass diese zuvor durchaus selbstreflektierten Menschen heute nicht mehr in der Lage zu sein scheinen sich und ihr Handeln kritisch zu hinterfragen, geschweige denn hinterfragen zu lassen ... es sei denn durch den Meister. Hier drängt sich mir schon eher der Verdacht der Gehirnwäsche auf.
Zwei Dinge finde ich dabei bemerkenswert: 1) Während einer von beiden schon immer zu o.g. Verhalten neigte, war beim anderen, bevor er sich auf den Zen-Weg begab, von all dem nie etwas zu spüren. 2) Die beiden letztgenannten praktizieren in derselben Gemeinschaft wie die beiden erstgenannten.
Mir ist bewusst, dass es nicht Sinn der Sache ist, schon im Vorfeld klären zu wollen wohin dieser Weg mich führen könnte, oder Vorstellungen zu entwickeln wohin er mich führen sollte. Ebenso ist mir klar, dass ich keine der genannten Personen bin und daher meine Entwicklung auf dem Weg mit der ihren letztendlich nichts zu tun hat. Ich erwarte auch nicht auf einem solchen Weg ein im herkömmlichen Sinne besserer Mensch zu werden. Dennoch ist vielleicht nachvollziehbar, dass die scheinbare oder tatsächliche Gefahr sich beim Gehen dieses Weges ggf. zum schwer erträglichen Kotzbrocken zu entwickeln, ein wenig verunsichert.
Die Vielzahl der Worte ist durchaus Gradmesser für die Intensität meiner Besorgnis.
Wie begründet ist sie?
Gruß
Marcus
Ich bin dir, was das Analysieren angeht, ähnlich, bei mir müssen die Dinge auch erst durch den Kopf. So bin ich auch an den Buddhismus heran gegangen und bei Zen hänge geblieben weil ich persönlich seine Schlichtheit sehr mag. Dennoch glaube ich durchaus dass wir von den anderen Schulen durchaus lernen und profitieren können. Was ich mich tatsächlich frage ist, ob es wirklich sinnvoll ist den Buddhismus ungefiltert aus Asien importieren sollen? In Asien war es so dass sich der Buddhimus in den kulturellen Kontext der jeweiligen Länder eingefügt hat, was ihn praktikabel für die jeweiligen Menschen machte.
Wir haben hier unseren eigenen Kontext, zum Beispiel das wesentlich ausgeprägtere dualistische Denken, was man in Asien so nicht kennt. Da sollten wir ansetzen und uns nicht so sehr an den "alten Meistern" reiben. Das muss aber jeder für sich selber entscheiden. Das gleich gilt für die Frage ab Meditaion oder nicht. Mir bringst das regelmäßig meditieren nichts und deswegen sitze ich nur bei Bedarf.
Ich mag Zen und irgendwie gehe ich auch den Zen-Weg, ohne mich dabei auf eine Schule (Rinzai oder Soto) festzulegen. Dabei überlege ich mir wie ich das europäisch machen kann, ich bin sicher dass es funktioniert.
Liebe Grüße, Gerald
danke für Eure ermutigenden Worte.
Du musst Dir vor Deiner Entscheidung eigentlich nur die Frage stellen "will ich das?". Eine "warum will ich das?" ist weder nötig, noch hilft es irgendwie.
Das mag so sein, oder auch nicht. Jedenfalls würde es mir nicht entsprechen im Vorfeld nicht meine Motivation zu hinterfragen. Ich hatte vor zwei Jahren schon einmal den Impuls Zen zu praktizieren, musste dann aber feststellen, dass sich dieser überwiegend aus einem gewissen Zugehörigkeitsbedürfnis speiste, was mir wiederum keine tragfähige Grundlage zu sein schien. Unter anderem darum nahm ich wieder Abstand davon und halte diese Entscheidung im Rückblick für richtig.
Was ich mich tatsächlich frage ist, ob es wirklich sinnvoll ist den Buddhismus ungefiltert aus Asien importieren sollen?
Das war eine weitere Frage welche bei meiner damaligen Entscheidung eine Rolle spielte. Ich bin als europäischer Christ aufgewachsen. Daher erschien es mir logischer den mystischen Weg des Christentums einzuschlagen den der Kontemplation. Aus zwei Gründen bin ich nun dennoch wieder beim Thema Zen gelandet: 1. erscheinen mir mittlerweile die Unterschiede zwischen Zen und Kontemplation nicht mehr entscheidungsrelevant. 2. ist es ungleich schwieriger eine Gruppe oder gar einen Lehrer zur kontemplativen Praxis zu finden.
Ich vermute mal in dme Beiepiel Deiner Freunde, die sich zum Nachteil verändert haben, einen schlechten Meister
Wie gesagt üben sie interessanterweise in derselben Gemeinschaft wie die beiden Freundinnen deren Entwicklung ich eher als inspirierend empfinde.
und den Umstand dass sie sich nicht wirklich wohl fühlen mit dem was sie tun.
Tja irgendwie scheinen sie sich mit Nichts und Niemandem mehr wohl zu fühlen ... und zunehmend auch umgekehrt.
Aber damit will ich es mit Äußerungen über Andere auch bewenden lassen. Die Beschreibung meiner Wahrnehmung der Fünf sollte eigentlich nur dazu dienen zu verdeutlichen, was mich umtreibt. Besser: umtrieb :-)
Du hast recht, wenn Du sagst, dass Antworten auf Fragen wieder neue Fragen nach sich ziehen. Die Lösung dafür liegt tatsächlich in der Praxis. Denn Du betrittst dadurch den "Raum der Antworten" und verlässt den Raum der Fragen.
Das freut mich zu hören. Auch wenn damit ja nicht gesagt ist, dass ich im Raum der Antworten Antworten erhalte, so finde ich das Bild den Raum der Fragen zu verlassen reizvoll. Genau dieser Wechsel der Perspektive täte mir sehr gut.
Gruß
Marcus
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