Ralf54:
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Sodann Ehrwürden Baizhang:
Immer wenn er wieder einmal an der Versammlung der Mönche teilnahm, War da auch ein alter Mann. Er folgte stets der Menge der Mönche und hörte der Lehrrede des Meisters zu. Wenn sich alle zurückzogen, Zog sich der alte Mann ebenfalls zurück. Ganz unerwartet aber zog er sich eines Tages nicht zurück.

Sogleich fragte ihn der Meister: "Der du da vor mir stehst, gib Antwort, wer das ist!" Da sagte der alte Mann: "Ja, gewiß! Ein Herr So-und-so, allerdings kein Mensch! Zur Zeit des längst vergangenen Buddha Kashyapa hat er auf diesem Berg gelebt. Weil ihn ein Mönchsschüler gefragt hat: 'Ein Mensch, der völlig nach den Vorschriften lebt, fällt der noch der Kausalität anheim oder nicht?', und der Herr So-und-so zur Antwort gesagt hat: 'Er fällt nicht der Kausalität anheim!', ist er für fünfhundert Leben in den Leib eines wilden Fuchses hinabgesunken. Jetzt aber bittet er Ehrwürden, an seiner Stelle ein Wendewort zu sprechen: Streift Ihr ihm den wilden Fuchs ab!"

Und dann fragte er: "Ein Mensch von großer Verwirklichung, fällt der noch der Kausalität anheim oder nicht?" Der Meister sagte: "Er unterschlägt die Kausalität nicht!" Der alte Mann erfuhr bei diesen Worten große Erleuchtung. Er verbeugte sich in Verehrung und sagte: "Der Herr So-und-so streift nunmehr in eigener Person den Leib des wilden Fuchses ab. Er wohnt auf der Rückseite des Berges und nimmt sich die Freiheit, sich an Ehrwürden zu wenden: Bitte willfahrt einem verstorbenen Mönch und führt für ihn die Begräbnis-Vorschriften aus!"

Der Meister veranlaßte den zuständigen Mönch, laut und deutlich mit dem Holzhammer allen Mönchen mitzuteilen, daß sie nach dem Essen einem verstorbenen Mönch das letzte Geleit geben sollten. Da fingen alle an zu reden und zu diskutieren: "Von uns allen ist jedermann gesund. In der Nirvana-Halle liegt ebenfalls niemand krank danieder. Aus welchem Grund also eine derartige Aufforderung?" Nach dem Essen ergab es sich, daß der Meister sämtliche Mönche aus dem Kloster führte. Als er auf der Rückseite des Berges am Fuße eines Felsens angekommen war, holte er mit einem Stock einen toten wilden Fuchs aus dem Laub hervor. Dann befolgte er die Bitte des alten Mannes und bestattete den Fuchs mittels Feuer.

Als der Meister abends in der Versammlungshalle angekommen war, legte er die Hintergründe dar. Sogleich fragte ihn Huangbo: "Der Fehler des Mannes aus der Vorzeit bestand darin, daß er nur ein Wendewort zur Antwort gegeben hat; deshalb ist er für fünfhundert Leben in den Leib eines wilden Fuchses hinabgesunken. Wenn aber nun die Wendeworte nicht beidemal falsch gewesen wären, was wäre dann aus ihm geworden?"

Der Meister sagte: "Tritt näher heran, ich werde es ihm sagen." Auf der Stelle trat Huangbo nahe heran und gab dem Meister einen Schlag mit der flachen Hand. Der Meister klatschte in die Hände, lachte und sagte: "Ich wollte gerade sagen, daß der Bart des Fremden rot ist, doch außerdem gibt es hier noch einen Fremden mit rotem Bart."


Wumen sagt dazu:
"Er fällt nicht der Kausalität anheim":
Warum ist er dann in einen wilden Fuchs herabgesunken?
"Er unterschlägt die Kausalität nicht":
Warum hat er dann den wilden Fuchs abgestreift?
Wenn du in dieser Sache
Auch nur mit einem Auge ins Schwarze triffst,
Dann weißt du auf der Stelle,
Daß der frühere Baizhang nichts Geringeres erlangt hat
Als fünfhundert vergnügliche Leben.


Der Lobgesang lautet:
"Nicht anheimfallen", / "nicht unterschlagen":
Zweie ausgewählt / für den einen Wettkampf!

"Nicht unterschlagen", / "nicht anheimfallen":
Tausend Fehler, / zehntausend Fehler!
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Fall 2 des Wumen Guan / Mumonkan; Übersetzung des chinesischen Originaltextes von Dietrich Roloff. Der Fall taucht auch im Congronglu (Shoyoroku) auf, dort als Fall 8.

Die zwei 'Protagonisten' des Koan sind zwei der bedeutendsten Figuren des klassischen Zen. Baizhang Huaihai (jap. Hyakujo Ekai, 749-814) war Schüler Mazu Daoyis und Verfasser der "Goldenen Regel", der ersten zen-spezifischen Mönchsregel (Qinggui, jap. Shingi). Er führte mit dieser Regel die körperliche Arbeit als einen festen Bestandteil des (zen-)monastischen Lebens ein (der Spruch "Ein Tag ohne Arbeit ist ein Tag ohne Essen" stammt von ihm, nicht von Lenin ;-) ). Seine Lehren sind vor allem im Tun-wu ju-tao yao-men-lung überliefert, übersetzt von John Blofeld und auf deutsch unter dem Namen "Der Weg zur blitzartigen Erleuchtung von Hui Hai" in Raoul von Muralts zweitem Band der "Meditations-Sutras des Mahayana-Buddhismus" veröffentlicht. Huangbo Xiyun (jap. Obaku Kiun, ?-850) ist neben Guishan Lingyou (Isan Reiyu), dem Begründer der Igyo-Schule, sein bedeutendster Schüler und seinerseits Begründer der Schule, die den Namen seines wichtigsten Nachfolgers, Linji Yixuan (Rinzai Gigen) trägt. Seine unter den Titeln "Huangbo Chuanxin Fayao" und "Huangnie Duanji Chanshi Wanling Lu" aufgezeichneten Lehren sind unter dem Titel "Die Lehre des Huang Po vom Universalbewußtsein" und "Dialoge des Huang Po mit seinen Schülern" ebenfalls bei Muralt zu finden.

Zu den Namen: in der klassischen Zeit trugen Äbte in der Regel den Namen ihres Klosters; mit dem 'früheren Baizhang' in Wumens Kommentar ist also der Fuchsgeist gemeint, der zu Zeiten Kashyapas (gemeint ist Shakyamunis Vorgänger, nicht sein Schüler Mahakashyapa, der erste Patriarch) Abt auf dem selben Berg war und daher den selben Namen trug. Dass der namenlose So-und-so im Kommentar ebenfalls Baizhang genannt wird, ist natürlich kein Zufall. Die Namensgleichheit von Ort und Lehrer ist übrigens auch gelegentlich Motiv eines Koan; speziell bei Baizhang z.B. im Fall 26 des Biyanlu (Hekiganroku) oder bei Zhaozhou (der mit mit dem "Mu") im Fall 9 derselben Sammlung. Zum Thema 'Fuchs' ist zu sagen, dass Füchse in der chinesischen Volksmythologie eine besondere Rolle spielen. Sie sind – häufig mit erheblichen magischen Kräften ausgestattete – Verkörperungen unheilstiftender Geister. Mit dem 'rotbärtigen Fremden' wird natürlich auf Bodhidharma angespielt.

Auch wenn die Personen des Koan zur Linie der Rinzai-Schule gehören, ist es doch auch im Soto-Zen von herausgehobener Bedeutung. Dogen widmet ihm – äußerst ungewöhnlich – zwei Kapitel des Shobogenzo, in denen er das Koan auf unterschiedlichen Ebenen behandelt. In Shobogenzo Jinshin Inga (Tiefer Glaube an die Kausalität) betont er die Notwendigkeit, ohne Wenn und Aber am Prinzip der Kausalität festzuhalten und verwirft streng jegliche Abweichung von diesem Prinzip als unbuddhistisch. "Die da glauben, dass erleuchtete Wesen jenseits der Folgen der Kausalität stünden, leugnen absichtlich das Gesetz der Kausalität und werden zweifellos in die drei üblen Welten fallen. Die da auf der anderen Seite Vertrauen in das Gesetz der Kausalität haben, erkennen, dass kein Mensch jenseits von dessen Folgen steht; folgerichtig erlangen sie Befreiung von allem gegenwärtigen Leiden. ... Selbst wenn jemand kein anderes schlechtes Karma erzeugt als nur durch die Verneinung der Kausalität, wird das allein unschätzbares Leiden zur Folge haben. ... Aus Dankbarkeit für das Mitgefühl der Buddhas und Patriarchen sollten Übende mit einem buddhasuchenden Geist schnell das Prinzip von Ursache und Wirkung klären."

'Jinshin Inga' hat nach meiner Auffassung in erster Linie pädagogische Intention; es verweigert sich jeder Diskussion, ob Befreiung auch eine Befreiung von karmischen Bedingungen ist. "Es ist unabdingbar, dass Übende das Kausalitätsprinzip zuerst klären, sonst werden sie für falsche Ansichten anfällig bleiben, ihre Übung wird sich verringern und schließlich werden sie überhaupt nichts Gutes mehr tun können." Man kann hier feststellen, dass Dogen – entgegen manchen verkürzten Auffassungen - nicht einfach jeden Zusammenhang zwischen Kausalität und Befreiung leugnet. Allerdings gibt es keine irgendwie geartete Beziehung von irgendetwas als einer Ursache zur Befreiung als Wirkung. 'Erkenntnis' und Verständnis der Kausalität IST Befreiung. Erkenntnis und Verständnis der Kausalität / Befreiung wird nicht erlangt durch ein Tun, sondern durch 'Jinshin'. Mit 'Tiefer Glaube' ist Jinshin in der Übersetzung Nishiyama/Ecksteins sehr unvollkommen wiedergegeben. Die Bedeutung geht in Richtung 'tiefer Verankerung im Geist'. 'Jinshin' ist das Klären des Prinzips von Ursache und Wirkung – 'Klären' im Sinne von Freilegen des tief im Geist verankerten Kausalitätsprinzips durch die Übung.

So wird vielleicht andeutungsweise verständlich, warum Dogen in Shobogenzo Daishugyo dieses Koan explizit 'Daishugyo', ' Die große Übung des Weges' nennt. Auch daraus ein Zitat: "Nur wenige suchen ernsthaft das Buddha-Dharma. Um die Bedeutung dieses Koans zu verstehen, ist es notwendig, einen klaren Geist zu haben. Wenn unser Studium oberflächlich ist, werden wir es niemals erfassen. Es ist wichtig zu erkennen, daß wir nicht wiedergeboren werden, aufgrund einer falschen Antwort, und uns auch eine richtige Antwort nicht von der Wiedergeburt befreit. Was mit dem alten Mann nach seiner Befreiung von dem Körper eines Fuchses geschah, wird nicht erwähnt. Doch gerade dort ist eine Perle zu finden. Denke nicht wie diejenigen, die das Buddha-Dharma niemals gesehen oder gehört haben und die sagen: 'Durch die Täuschung wird man als Fuchs wiedergeboren, und der Körper des Fuchses kann befreit werden. Wenn man vom Körper des Fuchses befreit ist, kehrt man in den Ozean der ursprünglichen Erleuchtung zurück.' Das ist eine Theorie der Ungläubigen und nicht das Buddha-Dharma. Dem Buddha-Dharma gemäß besitzt der Fuchs die Erleuchtung angeboren. Wenn du die Große Erleuchtung hast, wird sich der Fuchs niemals von dir trennen; wenn du ihn jedoch wegwirfst, wirst du seine Erleuchtung niemals erleben. Dann hat der Fuchs keine Beziehung zum Buddha-Dharma – er ist nur ein einfacher Fuchs. Im wahren Buddhismus ist das nicht möglich. ... Die Aussage des alten Hyakujo: 'Nein, es hört auf!' band ihn an die Wiedergeburt als Fuchs. 'Ja, es hört niemals auf', befreite ihn. Trotzdem existieren Wiedergeburt und Befreiung zusammen; sie sind das Prinzip von Ursache und Wirkung."

Im Shobogenzo Zuimonki fragt Koun Ejo Dogen nach einem der vielen Wendeworte (wato) dieses Koan: "Was bedeutet das: Dem Gesetz von Ursache und Wirkung gegenüber nicht blind sein?" (diese Formulierung beruht auf einer anderen Übersetzung des oben mit "er unterschlägt die Kausalität nicht" wiedergegebenen Satzes). Dogen antwortet "Ursache und Wirkung sind offensichtlich und treten gleichzeitig auf". Er fährt fort, dies am Koan von Nansens Katze näher zu erläutern, deswegen möchte ich hier nicht näher darauf eingehen und es bei diesem Fingerzeig belassen.

Das Kapitel 'Daishugyo' ist sehr viel tiefer als Jinshin Inga, es erörtet das Koan in allen seinen Aspekten. Es entzieht sich daher auch einer Analyse ,da es dort um das geht, was Wumen in seinem Kommentar "mit einem Auge ins Schwarze treffen" nennt. In gleiche Richtung zielt der "eine Wettkampf" im Lobgesang – natürlich sind "nicht unterschlagen" und "nicht anheimfallen" einseitige, extreme Ansichten, sind daher "tausend Fehler, zehntausend Fehler". Will man sich annähern, könnte man vielleicht sagen, der alte Hyakujo beging einen 'falschen' Fehler, der gegenwärtige einen 'richtigen' (heilsamen) Fehler. Huangbo nennt trotzdem die Antwort des alten Hyakujo ein 'Wendewort', und doch ist es falsch, genau wie die Antwort des gegenwärtigen Hyakujo. Werden beide falsche Antworten erst durch ihr Zusammentreffen zu Wendeworten? Und was, so fragt ja auch Huangbo, wenn es keine falschen Wendeworte gegeben hätte, sondern richtige?

Blanker Spott, natürlich - für den Versuch, Huangbo an der Nase herumzuführen, hat sich Hyakujo redlich eine Ohrfeige verdient.

Gasshô,
SoGen
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