Warum ist es so schwer, in der Gegenwart zu leben?
Gestern war eh immer alles besser. Und morgen wird es irgendwann vielleicht einmal besser werden, wenn ich mich nur genügend im Jetzt anstrenge. Doch das Gestern ist vorbei und das Morgen wird nie eintreten. Aber warum kann man dann nicht einfach das Gestern und Morgen ausklammern, so daß einem nichts anderes bleibt, als im gegenwärtigen Augenblick zu verweilen und ausschließlich nur dort das Glück suchen und finden? Zazen half mir jedenfalls nicht dabei, im Hier und Jetzt anzukommen, denn es war auch immer auf die Zukunft gerichtet: Wenn ich nur lange genug sitze, dann...
Weiß jemand nen Rat?
Zum einen, ein Zazen, das mit der Idee gesessen wird, "wenn ich nur lange genug sitze, dann..." ist noch kein Zazen. Fang also am besten einfach von vorne an.
Es ist überhaupt nicht schwer, in der Gegenwart zu leben. Jeder Vollidiot lebt dort ohne es beeinflussen zu können, lediglich in Deinen Gedanken und Vorstellungen kannst Du immer zwischen Vergangenheit und Zukunft hin- und herspringen, dies allerdings in der Gegenwart... kein Wunder, wenn einem dabei unwohl wird...
Ein einfaches Mittel, noch einfacher als Zazen, ist den Atem zu beachten. Also jeweils genau hinzuspüren, was der gegenwärtige Atemzug gerade macht. Atme ich gerade ein, gerade erst begonnen oder schon mitten im Atemzug oder kurz vorm Ausatmen (?). Atme ich gerade aus und verfolge dieses Ausatmen vom Ansatz bis zum Schluß oder bin ich gerade da wo der Impuls zur Einatmung beginnt (?). Den Atem zu beachten und zwar dauernd, das ist zwar ebenso ungeheuer schwer wie einfach nur zu sitzen ohne irgendeine Absicht. Aber es ist wesentlich einfacher neu zu beginnen, wenn man bemerkt, dass man wieder mal völlig vergessen hatte, dass man gerade genau das tun wollte.
Nur wirst Du dabei all den Impulsen begegnen, die Dich auch im Zazen immer wieder behindert haben. Deshalb ist es vielleicht auch dabei angebracht, es zunächst zeitlich zu limitieren.
Es wird immer auch eine Vergangenheit und eine Zukunft geben, allerdings ist es schon ziemlich nützlich, jetzt zu leben und zwar so voll wie möglich.
Dabei darfst Du nicht auf etwas warten, das noch jetzter ist als jetzt, jetzt allein reicht völlig und ist bereits ziemlich lebendig...
Dieses Warten auf den großen Knall, der nur noch ein völliges geistiges Überfliegertum übriglässt, das ist eine der absurdesten Vorstellungen, die verhindern, dass Du einfach (und auch erfüllt und glücklich) der sein kannst, der Du eigentlich bist. Aber nicht jemand anderes (eine der nächsten absurden Ideen), sondern schon genau der, den Du ziemlich gut kennst, immer noch einfach Mensch. Mit Eigenschaften, guten wie nicht so guten, und auch mit Vergänglichkeit ausgestattet.
Eine Vorstellung davon wirst Du vielleicht nicht mögen, sollst Du auch gar nicht haben... denn Leben bedeutet auch immer Veränderung. Es führt einfach dazu, dass Du Dir selbst genug sein kannst, sogar dass Du Dich überhaupt annehmen kannst und nicht irgendeiner Idee nachjagst, die nichts ist als eine Seifenblase.
All die Theoretisiererei, die Dich davon abhält, Dein Leben einfach zu leben, kann und soll (immer zeitweise) wegfallen. Das beruhigt und klärt. Wieviel, das darf sich selbst zeigen, das kannst und musst Du Dir nicht ausdenken.
Menschen scheitern an Ideen und Idealen. Nicht am Leben.
Dein Leben ist nichts besonderes? Falsch. Es gibt kein anderes, das für Dich relevanter ist als Dein eigenes. Auch als jemand, der vielleicht in den Augen anderer nichts besonderes ist, für Dich bist Du der einzige, der immer bei Dir sein kann. Also auch der wichtigste. Du solltest Dich selbst nie geringschätzen, aber auch nicht für den eigentlichen Kaiser von China halten... Du bist Du und Du brauchst Selbstreflektion. Dadurch lernst Du Dich kennen, mit allen Facetten die auftauchen mögen und mal mehr mal weniger zu Dir zu gehören scheinen.
Wie von selbst entfaltet sich durch solcherart Übung, sei es nun Atembeachtung sei es Zazen, Dein Selbstbewusstsein. Und das besteht hauptsächlich darin, dass Du Dich in Deiner eigenen Haut erkennst und auch wiedererkennst, wenn Du mal wieder zu sehr in Verstrickungen geraten bist.
Je weniger Übung Du hast, um so eher wirst Du Dir entgleiten und mehr in Verstrickungen leben als in Dir selbst zu ruhen. Je mehr Übung Du hast, um so mehr wirst Du souverän sein gegen die Dinge, die Dich verrücktmachen. Du kannst alles tun, was immer Du magst, nur finde den Weg, bei Dir zu bleiben und nicht auszuflippen, nur weil mal irgendwas in der Welt wackelig ist.
Blah blah blah... ich kann da noch so viel reden, es mag Dich besänftigen oder auch nicht. Du musst es tun. Du darfst Dir sogar aussuchen wie. Wähle aus den Möglichkeiten, von denen bisher nur zwei genannt wurden eine aus und bleib dabei. Da Menschen sowieso atmen, ziehe ich die Beachtung des Atems vor. Das kann man sogar tun, wenn man nicht mehr sitzen kann. Dazu braucht es weder Vorbereitung noch sonstwas für besondere Bedingungen. Das kann man immer wieder neu beginnen. Jederzeit.
Atem ist sehr wichtig um im Jetzt zu sein. Denn atme mal ein paar Minuten nicht und es wird Dir sehr deutlich werden, wie wichtig atmen ist. Lerne das zu schätzen indem Du es beachtest. Du beachtest so viele Dinge, die es nicht wert sind. Warum nicht mal ein Ding, das es wert ist!(?)
Ob das ein Rat war, kannst Du mir erzählen, wenn Du es gemacht hast. Wenn Du es nicht tust, dann war es keiner.
Gruß
mipooh
(kostenloser und unverbindlicher Ratgeber)