Locker oder angespannt?
Als Meister Shintenkyô Hauptmönch bei Meister Kisû war, fragte ihn dieser: Ich habe gehört, dass du Leuten stets jene Geschichte erzählst, wie eine Frau aus tiefer Versenkung gerissen wurde . Stimmt das? Shintenkyô sagte: Nichts . Kisû fragte: Bist du nun locker oder angespannt? Warum sagst du: Nichts? Shintenkyô erwiderte: Wenn er ein wahrer Zen-Mönch ist, fehlt es ihm nicht an Salz und Soße. Kisû ließ dem Koch ausrichten, er solle für den nächsten Tag nur weißen Haferschleim vorbereiten.
Meister Kidô:
Einem Verhungernden das Essen wegschnappen.
Meister Hakuin:
Die Undankbaren werden alte Schulden nicht erlassen.
Wohin gehen die Buddhas?
Ein Mönch fragte Meister Nan-in: Wohin gehen alle Buddhas? Nan-in sagte: Wenn sie nicht in den Himmel gehen, dann in die Hölle. Der Mönch fragte: Wie steht es mit Euch? Nan-in sagte: Weißt du nicht, wo dieser alte Mann enden wird? Der Mönch wollte gerade antworten, als Nan-in ihm mit seinem Stock auf den Mund schlug. Dann bat er den Mönch, näher zu kommen, und sagte: Eigentlich hättest du das tun sollen und schlug ihn noch einmal mit seinem Stock.
Meister Kidô:
Anstatt verwirrt zu sein, schaue der Mönch mit dem Auge, zeige mit dem Finger.
Meister Hakuin:
Der Distrikt Yû ist immer noch in Ordnung.
Es sind die Menschen südlich des Flusses, die am meisten leiden.
Schlag das Gras!
Eines Tages hörte Meister Rakuho einen Gehilfen sagen: Die Lehre, die von Sôjô* verbreitet wird, ist wirklich außergewöhnlich. Rakuho meinte: Sôjô ist außergewöhnlich, doch unseren Gründervater hat er nicht verstanden. Der Gehilfe war sprachlos.
Meister Kidô:
Schlag das Gras, erschrecke die Schlange!
Meister Hakuin:
Öffne den Mund, und die Eingeweide liegen bloß.
(* Auch Shironjû-Schule genannt.)
Die Teetasse
Der Schriftsteller Kanbunkô sagte zu einem Mönch: Ich habe gehört, dass du die Gedanken aus dem Jôron darlegst. Stimmt das? Der Mönch bejahte. Kanbunkô fragte: Laut dem Jôron gibt es vier Dinge, die sich nicht ändern. Ist das richtig? Der Mönch bejahte erneut. Da zerbrach Kanbunkô eine Teetasse und fragte: Ändert sich dies hier oder nicht? Der Mönch war sprachlos.
Meister Kidô:
Wenn du nichts erlebst, wirst du kein bisschen Weisheit erlangen.
Meister Hakuin:
Gehe mit erhobener Faust aus.
Raus!
Meister Sekkan fragte einen Mönch: Wo bist du neulich gewesen? Der Mönch sagte: Im Nô-Distrikt. Sekken zog einen Jungen auf seine Seite, gab ihm eine Ohrfeige und schrie ihn an: Raus! Der Mönch war sprachlos.
Meister Kidô:
Ich habe hier und dort praktiziert, aber das ist das erste Mal,
dass ich einem solch großen Meister begegnet bin.
Meister Hakuin:
Die Augen eines Weisen.
Abends im Wald
Meister Sekken fragte einen Mönch: Wenn du abends im Wald Halt machst, wo wirst du dann am Morgen sein? Der Mönch antwortete: Ich habe niemals Zen praktiziert. Sekken sagte: Du wirst lebendig in die Hölle fahren. Der Mönch erwiderte nichts.
Meister Kidô:
Wem ist solche Güte nicht von Nutzen?
Meister Hakuin:
Hilfe! Hilfe!
Woher kommst du?
Meister Unmon fragte einen Mönch: Woher kommst du? Der Mönch erwiderte: Ich bin gerade von einer Pilgerreise zurückgekehrt. Unmon sagte: Du führst mich an der Nase herum. Der Mönch meinte: Ich habe wirklich eine Pilgerreise unternommen. Unmon sagte: Du hältst dich nicht mal an die fünf Verbote. Der Mönch war sprachlos.
Meister Kidô:
Ich bin eben dem buddhistischen Orden beigetreten.
Meister Hakuin:
Wo ist nun das falsche Wort?
Woher kommst du?
Meister Unmon fragte einen Mönch: Woher kommst du? Der Mönch erwiderte: Ich bin gerade von einer Pilgerreise zurückgekehrt. Unmon sagte: Du führst mich an der Nase herum. Der Mönch meinte: Ich habe wirklich eine Pilgerreise unternommen. Unmon sagte: Du hältst dich nicht mal an die fünf Verbote. Der Mönch war sprachlos.
Meister Kidô:
Ich bin eben dem buddhistischen Orden beigetreten.
Meister Hakuin:
Wo ist nun das falsche Wort?
Das Gleiche?
Meister Unmon fragte den Mönchsvorsteher: Ist die Erde mit ihren Bergen und Flüssen das gleiche wie du oder unterscheidet sie sich von dir? Der Mönch antwortete: Sie ist das Gleiche. Unmon fragte weiter: Ist das Leben von Wesen wie Motten, Käfern und Ameisen das gleiche wie deines oder etwas anderes? Der Mönch erwiderte: Das Gleiche. Da fragte Unmon: Warum widersprichst du dir selbst?
Meister Kidô:
Die Zunge des Mönchvorstehers hängt heraus; er steht abseits.
Meister Hakuin:
Korallenzweige reflektieren den Mond.
Daiba
Meister Unmon zitierte gern Meister Baso: Daiba behandelte alle Worte mit Respekt. Das ist ganz wichtig. Dann ergänzte Unmon: Dies sind feine Worte, bloß hat mich niemand etwas gefragt. Da fragte ein Mönch: Was ist die Daiba-Sekte? Unmon antwortete: Es gibt sechsundneunzig Ketzerschulen in Indien, und du gehörst zur niedersten.
Meister Kidô:
Verbeuge dich und ziehe dich zurück.
Meister Hakuin:
Ein weißes Pferd inmitten von Schilfblumen.
Mutters Hose
Meister Ungo wurde erzählt, dass in der Einsiedelei am Fuß eines Berges ein Mönch lebte. Der Meister hieß seinen Gehilfen, diesem Mönch ein Paar Hosen zu bringen. Der aber sagte: Ich besitze Hosen, die meine Mutter geschneidert hat, und lehnte das Geschenk ab. Ungo ließ seinen Gehilfen noch einmal zu ihm gehen und fragen: Was hast du denn angehabt, bevor deine Mutter geboren wurde? Da war der Mönch sprachlos.
Meister Kidô:
Wer wagt es, diese Hose zu missbrauchen?
Meister Hakuin:
Ganz nackt.
Die Porzellanschale
Eine Nonne schenkte Meister Reiju eine Porzellanschale. Reiju hielt die Schale hoch und fragte: Woher kommt die? Die Nonne antwortete: Aus dem Distrikt Tei. Reiju zertrümmerte die Schale auf dem Boden. Die Nonne war sprachlos.
Meister Kidô:
Ich verstehe nicht, was Ihr meint, Ehrwürdiger.
Meister Hakuin:
Schade, dass diese Schale niemandem begegnete, der ihren Wert zu schätzen wusste.
Verdienste
Eines Tages hielt Meister Chokei eine Rede in der Vortragshalle. Als alle versammelt waren, ergriff er einen Mönch und sprach: Lasst uns nun alle vor diesem Mönch eine Verbeugung machen. Dann fügte er hinzu: Welche Verdienste hat dieser Mönch erworben, dass wir uns alle vor ihm verbeugen sollten? Die anderen blieben stumm.
Meister Kidô:
Ganz recht! Ganz recht! Ganz recht!
Meister Hakuin:
Der Buddha Daitsûchishô saß zehn kalpas* lang in Meditation.
So sehr er auch praktizierte, die Wahrheit erschien ihm nicht. Sie ist nicht da.
Der Weg kann nicht erlangt werden.
(* Äon, sehr langer Zeitraum)
Mir ist da was durchaus Erstaunliches aufgefallen...und ich würd mich über deine Sichtweise freuen...
Da sind diese Dinge die ich wahrnehme, also das was ich sehe, höre und zB. empfinde aus meiner Umgebung und ich bin mir dabei gewiss, dass es etwas anderes ist, als das, was ich bin.
Nun betrachte ich dies, was da in mir selbst bewusst wird an Sichtbarem, Hörbarem, Fühlbarem und ich frag mich, ob ich dies selbst bin, was ich da sehe, höre, fühle...oder aber ob es das Tageslicht oder Lampenlicht ist oder das Geräuch der Bettdecke auf meinem Bauch oder dessen Gefühl.
Nun betrachte ich dies, was mir als mein ureigenes Selbst bewusst wird, an Sichtbarem, Hörbarem, Fühlbarem und ich frag mich, ob ich der braune Bauch, der knurrende Magen, der Kopfschmerz bin, den ich wahrnehme...oder aber das es sich da lediglich um eben jenes Licht, jene Töne und Gefühle handelt, welche mir zugetragen werden aus eben dieser wundersamen Welt?
So betrachte ich all dies mit vollster Wertschätzung jedoch ohne ängstlich zu werden zu sehen, dass es ebenso bald vergeht, wie es in meiner Wahrnehmung in anderer Form entsteht.
Vorherige Ansichten schwinden, neue Töne und Gefühle entstehen, ohne dass sich mein aufmerksames Betrachten verändert hätte.
Was also ist jenes und was bin ich?
_()_
Der fliegende Schuh
Meister Reiun fragte einen Mönch: Wohin gehst du? Der Mönch antwortete: Ich gehe zu Meister Seppô.
Ich habe eine Nachricht für Seppô.
Dann gebt sie mir bitte mit.
Reiun zog seinen Schuh aus und warf ihn vor den Mönch hin, der daraufhin fort ging.
Seppô fragte den Mönch: Woher kommst du? Der Mönch erwiderte: Von Reiun.
Geht es dem Ehrwürdigen gut?
Er bat mich, Euch diese Nachricht zu überbringen. Der Mönch zog seinen Schuh aus und warf ihn vor Seppô hin. Seppô blieb still.
Meister Kidô:
Ich ziehe in Betracht, dass du von weit her gekommen bist.
Meister Hakuin:
Wenn du noch einmal kommst, wird es nur aus diesem Grund geschehen:
dem Regendunst des Berges Ro und der Strömung des Flusses Sekkô.
Was ist es?
Meister Kuzan besuchte Meister Seppô. Als er durchs Tor kam, ergriff ihn Seppô und sagte: Was ist es? So erwachte Kuzan. Er hob seine Hände und fuchtelte mit ihnen herum. Seppô fragte: Auf welchem Weg hast du verstanden? Kuzan erwiderte: Welche Wege gibt es? Seppô bestätigte Kuzans Erleuchtung.
Meister Kidô:
Kuzan soll sagen: Meister, Ihr habt mich nie betrogen.
Meister Hakuin:
Sich verbeugen und sich zurückziehen.
Wohin gehst du?
Meister Seppô verabschiedete sich von Meister Tôzan, der ihn fragte: Wohin gehst du nun? Seppô antwortete: Ich gehe zurück in die Berge.
Von wo bist du gekommen?
Ich kam vom Berg Hien.
Und in welche Richtung geht es jetzt?
Ich gehe zum Berg Hien.
Es gibt jemanden, der nicht zum Berg Hien geht. Kennst du ihn?
Nein, den kenne ich nicht.
Warum nicht?
Er hat kein Gesicht.
Wenn du ihn nicht kennst, wie kannst du dann wissen, dass er kein Gesicht hat?
Seppô schwieg.
Meister Kidô:
Nicht mit den Augen sehen.
Meister Hakuin:
Nimm alles weg, leg alles frei.
Wohin wirst du gehen?
Ein Mönch verabschiedete sich von Meister Seppô. Dieser fragte ihn: Wohin wirst du gehen? Der Mönch antwortete: Ich werde Meister Kinzan einen Besuch abstatten.
Wenn Kinzan dich fragt: Wie steht es mit dem Buddhismus bei Seppô?, was wirst du dann antworten?
Wenn er mich fragt, werde ich sagen
Da schlug ihn Seppô.
Später fragte Seppô Meister Kyôshô: Was hat dieser Mönch falsch gemacht, dass man ihn schlagen musste? Kyôshô erwiderte: Er hat Kinzan besucht und ist nun vollkommen erschöpft. Seppô warf ein: Aber Kinzan lebt weit weg im Distrikt Setchu, wie könnte man ihn besuchen? Kyôsho antwortete: Kennst du nicht den Spruch: Beantworte eine Frage aus der Ferne mit einer Bemerkung aus der Nähe? Seppô zog sich zurück.
Meister Kidô:
Ohne den kleinsten Fehler.
Meister Hakuin:
Das ist wahr und richtig.
Der Kreis
Meister Shôkei fragte einen Mönch, der gerade von seiner Pilgerreise zurückgekehrt war: Wie lange warst du von hier fort? Der Mönch antwortete: Es ist fast acht Jahre her, dass ich Euch verlassen habe. Shôkei fragte: Was hast du erreicht? Der Mönch malte einen Kreis auf die Erde. Shôkei fragte: Ist das alles? Gibt es da nicht noch was? Der Mönch wischte den Kreis weg, verbeugte sich und ging davon.
Meister Kidô:
Wenn du keinen Botenjungen zu Hause hast, kannst du kein Edelmann sein.
Meister Hakuin:
Wenn deine Ansicht so ist wie die deines Lehrers, dann bist du nur halb so gut wie dein Lehrer.
Wenn deine Ansicht aber die deines Lehrers übertrifft, dann bist du in der Lage,
dessen Lehren weiterzugeben.
Die bodenlose Schale
Meister Anzan suchte Meister Sekishitsu auf und fragte: Es ist wohl nicht leicht? Sekishitsu erwiderte: Was ist denn so schwer daran? Du holst es aus einer bodenlosen Schale hervor und trägst es auf einem formlosen Tablett davon. Da war Anzan sprachlos.
Meister Kidô:
Unter dem Drachentor*.
Meister Hakuin:
Schneidend vollbracht.
(* Das Drachentor (toryumon) ist ein hoher Wasserfall. Nach einer chinesischen Legende versammeln sich an dessen unterem Ende Karpfen und versuchen, nach oben zu gelangen. Ein Karpfen, der es bis zum oberen Anfang des Wasserfalls schafft, verwandelt sich in einen mächtigen Drachen.)