Na gut. Ich habe den Eindruck, dass mein erster Versuch über den Instinkt teilweise auf grosses Unverständnis gestossen ist. Deshalb mache ich hier einen zweiten Versuch, diesmal mehr analytisch, mit viel Text.
Bei meinem ersten Versuch wollte ich möglichst anschaulich sein, daraufhin wurde mir sogar gesagt, dass das alles viel zu theoretisch sei. Was solls, diesmal steige ich so richtig abstrakt ein, vielleicht mögt ihr das einfach so.
Zunächst mal zu dem Begriff:
Vieles wissen wir und vieles können wir. Zum Beispiel können wir laufen, wir wissen aber nicht, wie man läuft. Naja, wir wissen zwar, dass man einen Fuss vor den anderen setzt, aber das ist doch eine sehr armselige Erklärung für den Vorgang. Wenn wir laufen, dann machen wir es instinktiv, ohne darüber nachzudenken, ob jetzt der richtige Fuss an der Reihe ist. Wir hinterfragen unser Laufen auch normalerweise nicht kritisch. Gut, als Menschen können wir natürlich alles hinterfragen, auch unseren eigenen Laufstil, ich rede hier aber vom typischen Fall.
Auch Tiere können laufen (oder traben oder schwimmen oder kriechen). Ist also Instinkt auf solche Sachen beschränkt, die auch Tiere tun können? Nein, denn wir verwenden z.B. auch sprachliche Begriffe ganz instinktiv, ohne diese Begriffe zu hinterfragen. Auch bei diesem Beispiel gilt: Wir Menschen können selbst Begriffe hinterfragen, und da fängt dann die Philosopie an. Aber das ist nicht der typische Fall. Wir verwenden schwammige, nicht genau definierte Begriffe, und können trotzdem prima damit kommunizieren. Warum? Weil wir in unserem täglichen Leben gelernt haben, Begriffe instinktiv zu verwenden. Vermutlich sind alle hier im gleichen Kulturkreis aufgewachsen und haben schon oft Redewendungen gehört, in denen auf den Instinkt eines Menschen Bezug genommen wird. Es kann also eigentlich niemand behaupten, diesen Begriff nicht zu kennen.
Ihr seht, jetzt wird die Sache schon selbstbezüglich, denn ich verwende den Begriff "Instinkt" hier auch sehr schwammig und verlange von euch, dass ihr instinktiv versteht, was ich damit meine. Jetzt denkt mancher von euch vielleicht: Das ist doch völlig paradox! Oder vielleicht geht bei einem Profi-Begriffverleugner der "Begriff"-Alarm los. Darauf sage ich einfach: Vergiss es! Dein Gehirn ist auch zum begrifflichen Denken ganz wunderbar geschaffen. Also nicht endlos im Kreisverkehr bleiben, weiterfahren! Ganz instinktiv!
An anderer Stelle habe ich den Begriff "Zen-Labyrinth" für eine solche Form von Kreisverkehr verwendet. Ist zwar schwammig, aber ich hoffe, dass ihr mich trotzdem versteht. Also: Schlucken, verstehen, weiterlesen...
Instinktives Reagieren ist nicht auf niedrigere Funktionen unseres Geistes beschränkt. Wir können sogar instinktiv analytische Urteile fällen. Selbst Mathematiker tun das, obwohl die Meinung verbreitet ist, dass Mathematiker die reinste Form des logischen Denkens betreiben. Instinktive Urteile in einem abstrakten Gebiet setzten allerdings voraus, das wir eine gewisse praktische Erfahrung in dem entsprechenden Gebiet haben. Wir wissen dann in dem Moment, dass dieses richtig, oder jenes falsch ist, oder dass die Antwort auf eine Frage so oder so zu lauten hat. So eine Antwort hinterfragen wir dann meist auch nicht, obwohl wir das natürlich können.
Beim Hinterfragen tauchen im nächsten Moment in unserem Geist widersprechende Gedanken auf. Das kann positiv oder das kann negativ sein, ein Urteil über kritische Einwände gegen sein vorheriges Urteil muss man von Fall zu Fall finden. Wenn man merkt, dass man in einen Kreisverkehr gerät: Raus! Das sagt mir zumindest jetzt gerade mein Instinkt.
Klar, man kann auch sagen, dass wir ständig im Instinkt sind, dass das der einzige Zustand überhaupt ist. Instinktiv erscheint mir das jedoch wie eine unipolare Begriffsbildung (ein Begriff ohne sein Gegenteil), eine Sackgasse, die zu nichts zu gebrauchen ist. Genauso wie: Alles ist Liebe. Oder: Wir sind alle Eins! Oder: Ich bin das Universum! Manchmal kann es vorkommen, dass einem solche Erkenntnisse wie der Blitz treffen (und hinterher nennt man das vielleicht auch noch Erleuchtung), im Grunde genommen sind sie jedoch völlig nutzlos (und hört mir blos auf mit "wozu brauchst du einen Nutzen?", denn wir bestellen das Feld, damit wir was zu essen haben). Wenn wir selbst ein Gefühl dafür haben, dass wir instinktiv etwas richtig gemacht haben, dann gibt es auch das Gegenteil davon. Dann sind wir nicht unserem Instinkt gefolgt, sondern haben z.B. stundenlang rumgegrübelt, bevor wir eine Entscheidung getroffen haben. Oder wir haben die Stimme unseres Instinktes vielleicht gehört, wir haben uns dann aber aus zweitrangigen Gründen doch anders entschieden.
Ich will jetzt nach dieser Begriffserklärung noch einmal die Frage stellen: Wie geht man in den Instinkt? Meine instinktive Antwort darauf ist: Man macht es einfach (klar, da kommt ja jeder drauf; ich habe aber nie behauptet, irgendetwas besonders tiefsinniges zu schreiben). Wir Menschen sind so gebaut, dass wir das können. Man muss dazu nichts studiert haben, man braucht auch keine esoterischen Hilfsmittel dazu, keinen Meister, keinen Gott. Allerdings können Selbstzweifel, und andere negativen Gefühle, Zen-Labyrinthe und andere Verkrampfungen hinderlich sein. Die eigentliche Frage lautet also: Wie können wir diese Hindernisse auflösen?
Jetzt sage ich aber nichts mehr.