Hallo Klara,
ich erlaube mir, Deine Frage {k}'Wird man durch Zazen ein besserer Mensch?{/k} für dieses Mal zu ignorieren und dafür auf Deine Aussage über Sawaki Kodo ({k}'war scheinbar doch nicht alles so, wie es eben bei einem Zen-Meister sein sollte'{/k}) einzugehen. Also ein etwas anderes Thema - daher auch ein eigener Thread.
Wir können uns natürlich angesichts solcher 'Dharma-Darlegungen', aus denen ich zwei Auschnitte zitiert habe, die Frage stellen "Wer war Sawaki Kodo"? Aber das wäre eine rein historische Frage - die sich natürlich auch nicht anhand von zwei Zitaten beantworten lässt. Die eigentlich interessante Frage (jedenfalls für einen Zen-Übenden) hatte ich in diesem Thread schon angedeutet: was ist ein erwachter Meister? Um eines ganz unzweideutig klarzustellen: ich persönlich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass Sawaki Kodo ein erwachter Meister war.
Die wichtigste Aufgabe eines erwachten Meisters ist es, das Erwachen zu übertragen. Dies hat Kodo zweifellos in großem Umfang getan, er hat stark 'gewirkt'. Wie ein solches Wirken wiederum konkret geschieht - nun, da gibt es deutlich unterschiedliche Färbungen. Ein wenig davon ist in dem derzeitigen Thread über Shunryu Suzuki zum Ausdruck gekommen. Man kann da von dem 'Stallgeruch' sprechen, den eine bestimmte Linie hat. Kodos Linie wurde in Europa vor allem über Taisen Deshimaru weitergeführt. Ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass mir dieser spezielle 'Stallgeruch' sonderlich liegt. Aber das sagt nichts über die Qualität aus, mit der in dieser Linie Zen gelehrt wird. Das sagt nur über meinen eigenen Weg etwas aus.
Das Deshimaru-Zen mit seiner oft prononciert anti-intellektuellen Haltung verdeutlicht {f}in seinen extremen Auswüchsen{/f} in meiner Sicht ein Problem, das in Kodos Zen angelegt war. Die Zen-Übung ist im buddhistischen Verständnis Zufluchtnahme zu den 'drei Juwelen'. Zum Lehrer, der Lehre und zur Gemeinschaft. Wo das persönliche Studium der Lehre abgelehnt wird, führt dies zwangsläufig als Kompensation zu einer sehr starken Betonung der Rolle des Lehrers. Auch die Gemeinschaft erhält dadurch einen besonderen Charakter; sie ist sehr stark auf die Person des Lehrers ausgerichtet. Sind Lehrer und Dharma in Einklang (d.h. wenn der Lehrer perfekt ist), dann ist das kein Problem. Schwächen des Lehrers hingegen können unter Umständen fatale Folgen haben. Es fehlt das Korrektiv kritischer Überprüfung anhand des eigenen Studiums der Überlieferung, das unabhängige Nachvollziehen und die Möglichkeit, den Lehrer aufgrund des eigenen Studiums kritisch Hinterfragen zu können.
Das - das disziplinierte, soldatische und 'rücksichtslose' Zen, das nicht hinterfragt, ist {f}ein{/f} extremer Aspekt des Sawaki-Kodo-Zen. Aber es ist bei weitem nicht der ganze Sawaki Kodo (und es ist {f}natürlich{/f} auch nicht der ganze Deshimaru). Nicht für jedes Missverständnis eines Schülers ist der Lehrer verantwortlich.
Auf Kodo geht z.B. auch die Linie Gudo Wafu Nishijimas (des großartigen Dogen-Übersetzers) zurück - und da ist für mich so gar nichts von falsch verstandenem Anti-Intellektualismus zu spüren. Das ist wieder eine andere Facette des erwachten Meisters Kodo, die da überliefert wird. Auch in meine Linie ist ein wenig von Kodos Zen eingeflossen, auch wenn es da mW keine 'offizielle' Verbindung durch eine Dharma-Übertragung gegeben hat. Kodo war ein sehr wichtiger Reformer und viele haben von ihm gelernt, ohne offiziell seine Schüler geworden zu sein. Ohne ihn wäre heute das Soto-Zen nicht so, wie es ist.
Auch in meiner Linie gab es Reformatoren - große Namen wie Gesshu Soko und Manzan Dohaku. Aber es gab auch Lehrer, von denen ich außer ihren Namen nichts weiss. Giun Koshu und Hozan Koei lebten auch während der Zeit des japanischen Militarismus. Ich weiss nicht, ob sie anders dachten als Kodo oder ob sie Nationalisten und Militaristen waren. Das ist gar nicht so unwahrscheinlich - in dem von mir kürzlich zitierten Reuebekenntnis ist - sicher berechtigt - von der Schuld der gesamten Soto-Schule die Rede, nicht von Einzelfällen. Die Ausnahmen und Einzelfälle - das waren ganz im Gegenteil die, die sich den Zumutungen einer verbrecherischen Regierung verweigerten. Aber - trotz aller Verirrungen ist der Dharma auf uns gekommen. Und dafür bin ich dankbar, und natürlich bin ich auch allen dankbar, die ihn durch die Zeiten getragen haben. Auch Sawaki Kodo bin ich zutiefst dankbar dafür.
Wir dürfen uns nur von dieser Dankbarkeit nicht blind und besoffen machen lassen - sie darf uns nicht den Blick verstellen, zu selektiver Wahrnehmung verführen. Wir müssen {f}genau{/f} hinsehen, dürfen nichts {f}über{/f}sehen. Hier kommen wir wieder zur Frage zurück {k}was ist ein erwachter Meister?{/k}
Ich kann Dir diese Frage nicht beantworten, niemand außer Dir selbst kann das. Ich kann Dir nur sagen - es ist nicht das Bild von ihm, das Du im Herzen mit Dir herumträgst. So wenig wie das Bild, das Du auf dem Altar an Deinem Meditationsplatz aufstellst oder das Du verärgert und beschämt auf den Müll wirfst, weil Du auf ihm ein paar häßliche Flecken entdeckst. Sawaki Kodo ist nicht das makellose Idol, das so viele als Ballast mit sich herumschleppen und so gerne herumzeigen. Aber er ist auch nicht der chauvinistische Militarist, der Meister bei dem "doch nicht alles so ist, wie es eben bei einem Zen-Meister sein sollte". Er ist all dieses {f}auch{/f} - aber auch sehr viel mehr. Wir begehen einen großen Fehler, wenn wir den erwachten Meister auf unser Bild von ihm reduzieren - sei es ein schönes oder ein häßliches Bild. Es ist eben nur ein Bild - und das Bild eines Baumes ist nun einmal kein lebendiger Baum, der wächst, der im Frühjahr Blätter treibt, um sie im Herbst wieder abzuwerfen. Und das gilt nicht nur Bäume und Meister ...
Noch eine weitere Anmerkung zu dem alten Thread. Manchmal und bei manchen Menschen kann man eine Erkenntnis auslösen, wenn man auf die häßlichen Flecken auf dem Bild zeigt und auf sie aufmerksam macht. Manche verschließen dann die Augen, manche werfen es angewidert weg. Und manche lassen es einfach los, sehen es als das, was es ist, und machen sich auf die Suche nach etwas besserem - einem Meister aus Fleisch und Blut, der den Meister in ihnen selbst erwecken kann.
Gasshô,
SoGen