Als Kind freute ich mich jedes Jahr auf die Weihnachtsgeschichte, hinterliessen sie in meinem Herzen doch immer tiefe Spuren und lange noch konnte ich Personen oder Geschehnisse aus diesen Geschichten in mir bewegen
Auch jetzt liebe ich Geschichten, vor allem Geschichten, die das Leben schreibt und so freue ich mich auch jedes Jahr auf die Weihnachtsgeschichte, die mir jeweils zufliegen möchte, oft gestrickt aus dem, was in dieser Zeit in meinem Leben geschieht und wofür ich mich nur öffnen muss, sie zu vernehmen...
Wenn ich die Geschehnisse der letzten Tage so reflektiere, so prägt sie für mich ein Begriff besonders: Leben
Am Weihnachtstag kamen wir mit der Familie zusammen. Darunter die Grosseltern, unsere Generation, unsere Boys um +/- 20 Jahre und auch die drei jüngsten Sprosse eines Schwagers. Der Jüngste, gerade mal ein paar Wochen auf dieser Welt und da er als Frühchen zur Welt kam, noch winzig klein. Es war ein wunderbarer Tag, unsere Boys wechselten sich ab im Spielen mit den grösseren Cousins und im Herumwiegen und Bestaunen des Allerkleinsten. Welch eine Freude, diesem Schauspiel, das sich da bot zuzuschauen! Welch eine Chance, so dachte ich, für unsere Jungs, dass sie die Möglichkeit haben, so ein kleines Baby in ihren Armen und Händen halten zu dürfen. Wie gebannt bestaunten sie alle vier immer wieder die Äuglein, die Fingerchen, Zehen und das zauberhafte winzige Lächeln dieses kleinen Wesens, das gerade erst seinen Weg auf dieser Erde angetreten hat. Mein Herz jubelte ob dieser Begegnung und diesem Geschenk
Weihnachten, Licht, Glück, Freude Hoffnung
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In dieser glücklichen Stimmung erwachte ich auch am nächsten Morgen und verweilte darin noch ein wenig, dankbar, friedlich
als ein Anruf kam, dass ich als Bestatterin zu einem Suizid gerufen wurde. Ein totaler Wechsel, Konzentration auf der Fahrt dahin und auf das, was ich antreffen werde, von dem ich jeweils kaum mehr weiss, als eben, dass es ein Unfall oder Suizid ist. In diesem Fall wars ein junger Mann anfangs zwanzig, der sich an seinem Arbeitsort an einem Autolift erhängt hat. Während ich mit meinem Arbeitskollegen im Kreise des Arztes, Staatsanwaltes und der Polizei meinen Dienst am Verstorbenen tat, nahm ich die grausame Ohnmacht und Verzweiflung seiner Eltern und Familie wahr, die ohne Trost, ohne Licht, ohne Weihnacht ist. Tiefgläubige Eltern, denen von einem Moment zum anderen alles genommen wurde
Es blieb mir nur, für diese Eltern und auch im Respekt der Würde des Verstorbenen gegenüber, meine Aufgabe als Bestatterin so würdevoll es ging zu machen und die Ohnmacht zusammen mit allen die da waren auszuhalten. Auf dem Nachhauseweg ging ich wie nach jedem Todesfall für einen Moment in unsere Kirche, um für den Verstorbenen wie auch seine Familie eine Kerze anzuzünden in der Hoffnung, dass auch in die tiefe Nacht dieser Familie Licht und Trost kommen möge. Tod...eines der schmerzhaften Geheimnisse unseres Lebens, ein unbegreifliches auch vor allem, wenn ein junger Mensch auf diese Weise geht
Zu Hause angekommen, noch verweilend in der Verbundenheit mit diesen Menschen, die mir begegnet sind, öffnet sich die Tür und einer meiner Söhne wedelt mir fröhlich mit einem tiefroten Samtstoff vor der Nase herum. Der Fasnachtskostümstoff (Karnevall) seines Vereins ist gekommen, zusammen mit der Nähanleitung und so vertiefte ich mich kurz darauf in das Studieren der Nähanleitung und in diese verschiedenen roten Stoffe aus Pansamt, leuchtendem Satin
Leben
es fliesst
von einem Ereignis ins nächste vom Anfang des Lebens zum Ende, von der Freude zur Trauer und wieder zur Freude
einmal mehr wurde mir, als ich über diesem faszinierend leuchtenden Stoff brütete bewusst, wie nah alles zusammen ist und wie auch offenbar alles zusammengehört und wie gerade all das Leben ausmacht
Mein Mittrauern mit der Familie von vorhin machte langsam wieder einer tiefen Hoffnung in mir Platz, dass alles, die freudenvollen, die lichtreichen wie auch die schmerzhaften Geheimnisse unseres Lebens schlussendlich zu den glorreichen führen werden wie wir es ja auch in der katholischen Tradition im Rosenkranz mit eben diesen vier Folgen von Geheimnissen immer wieder betrachten
Mich einzulassen, immer mehr ohne Vorbehalte auf alle diese Geheimnisse einzulassen, mein Wunsch an dieser Weihnacht für mich
Marielle
Es ist so schön, was du von deiner Familie schreibst und darüber, wie du und deine Nichte aus Liebe zueinander Rücksicht nehmt bei den Konversationen. Es sind für mich solche Momente unter Menschen, die in unserer Welt leuchtende und wärmende Kerzen anzünden für uns alle...
Mit liebem Gruss
Marielle