Liebe Rita,
es ist eine ziemlich lange Antwort geworden, drum setz ich sie als neuen Thread ins Forum.
Deine Frage ist für mich nicht leicht zu beantworten, denn hierbei geht es auch um Glauben und nicht um Kenntnis von Fakten. Außerdem ist eine Erklärung natürlich nur so einleuchtend wie mein Verständnis von der Sache. So-Gen wird, hoffentlich, wenn ich schwer daneben liege mit meiner Interpretation, nicht zögern zu korrigieren.
Es fängt schon bei dem Begriff an schwierig zu werden, denn im Grunde ist es nicht korrekt von Wiedergeburt zu sprechen. Zumindest für uns Westler, die wir durchweg mit christlicher Infiltration aufgewachsen sind, ist es sehr verfänglich einen Begriff wie Wiedergeburt zu verwenden. Unser Verständnis davon ist zu vermenschlicht, personifiziert, zu ICH-bezogen.
Wir sollten auch das Wort Seele in diesem Bezug vergessen, denn die wird im christlichen Weltbild meist als etwas betrachtet, was von unserem Selbst übrigbleibt, wenn der Körper mal stirbt. Für Christen ist sie wohl das eigentlich zwar verletzliche, aber ewige und ätherische Ich, das nach Beendigung des Erdendaseins mit Flügeln durch den Himmel flattert und jubiliert, oder in der Hölle schmort.
Das Wort Geist hat in unserer deutschen Sprache mehrere Bedeutungen: einmal bezeichnet es etwas womit Intellekt, Denkfähigkeit, Ursache freien Willens, Bewußtsein gemeint ist; dann den religiösen Geist, also, der heilige Geist; außerdem hat es den Sinn von Gespenst und letztendlich gibt es Wörter geistreich, begeisternd, die auf belebte humorvolle Zustände anspielen.
Ich hole hier so weit aus, über Wörter und deren Definitionen, weil wir uns darüber im Klaren sein müssen, wie irreführend und mißverständlich es sein kann, wenn Westler versuchen östliches Denken zu erklären. Aber wir haben nun mal nur diese Wörter und sie kommen dem Gemeinten am nächsten, doch wir dürfen nicht an gewohnten Definitionen klammern.
Fangen wir damit an, was Wiedergeburt aus buddhistischen Sicht nicht ist: Es hat nichts damit zu tun, dass unser Ich oder unsere Seele in einem anderen Körper wiedergeboren werden, wie es in der Esotherik, in frühindischen oder griechischen Mythen gern gesagt wird. Auch hat es nichts mit Seelenwanderung oder der christlichen oder jüdischen Wiedergeburt zu tun.
Es erscheint mir klarer, von Reinkarnation des Geistes, als von Wiedergeburt zu sprechen, oder wie es der Mönch Nagaseno im Gespräch mit dem König Milinda ausdrückt: es entsteht eine neue geistig körperliche Verbindung.
Das Ich-Hafte, das, was wir als unser Selbst wahrnehmen, spielt bei dieser neuen Verbindung keine Rolle. Das Selbst ist eigentlich nur ein Strom aus Bewußtsein. Das Bewußtsein befähigt uns wahrzunehmen und leider auch dazu, das Wahrgenommene zu bewerten, wodurch sich das Selbst entwickelt und samsara (der Kreislauf des Daseins, Rad des Lebens, Kreislauf der Wiedergeburten) beginnt.
Das Bewußtsein verläßt nun den sterbenden Körper und nach einer durch Karma (Gesetz von Ursache und Wirkung, das heißt: der Mensch führt eine Aktion aus und dies erzeugt eine Reaktion, die natürlich gleichzeitig auch Aktion ist und weitere Reaktionen auslöst) bedingten Zeit entsteht ein völlig neue Erscheinung, eine Form, sagen wir in unserem Fall ein Mensch. Diese Form besteht aus dem selben Material, aus dem auch alles andere besteht (Der Christ sagt wir werden aus Staub gemacht und werden wieder zu Staub, der Chemiker und Physiker sprechen von Atomen.) und wird belebt durch den Geist, das Bewußtsein. Dieser Geist hat möglicherweise aber nicht zwangsläufig Erinnerungen und Erfahrungen aus seinen anderen Erscheinungen. Das ist mitunter vom Entwicklungsstand des Bewußtseins abhängig.
Der Vorgang, dass das Bewußtsein einen alten Körper verläßt und sich mit einem neuen verbindet, geschieht wieder und wieder, wobei sich der Geist bei jeder Verkörperung entwickelt, reift, erleuchtet wird und sich letztlich damit aus diesem Kreislauf (Samsara) befreit, weil es den Sterbevorgang bewußt steuern und eine Wiedergeburt erlangen kann, die dem Menschen eine Einhaltung des Bodhisattva-Gelübdes ermöglicht.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist noch, dass dies alles geschieht, ohne an Raum und Zeit gebunden zu sein. Alles ist immer. In einem Kreislauf sind Anfang und Ende identisch, lösen sich auf. Wenn man es so betrachtet, kann Manjushri Lehrer von 7 Buddhas sein, als letzem Shakyamunis und Maitreya kann sowohl Shakyamunis Schüler als auch der zukünftige Buddha sein. Der Geist darf nicht begrenzt werden auf diese Erde und die heutige Zeit, auch wenn es kaum möglich scheint, es anders zu sehen. Unser Körper vermag das Kontinuum vielleicht nicht zu verlassen, doch der Geist kann es. Nicht in dem Sinne von die Gedanken sind frei tralala, sondern da, wenn oder dann, wo das Bewußtsein der Fülle der Leerheit innewird.
Dann, wenn man besser die Klappe hält.
...
Trotzdem sei abschließend noch gesagt:
Im Zen wird hauptsächlich der Aspekt der Weiterentwicklung des Bewußtseins betont. Im tibetanischen Buddhismus wird stärker auf Karma hingewiesen, und es wird angedroht, dass schlechte Taten, als Sühne, mit Reinkarnation im Tier- oder Geisterreich bestraft werden.
Für Buddhisten ist die Wiedergeburt (jetzt nenn ichs schon wieder so) keine Glaubensfrage, sondern eine Tatsache, die zwar durch Berichte sich Erinnernder, durch den Umstand, dass es soetwas wie Genies gibt, durch das Gesetz des Samsara und das Gesetz des Karma bewiesen werden könnte, aber gar nicht bewiesen werden braucht.
Was ich bemerkenswert finde ist, dass es in unserer Physik ein Gesetz der Erhaltung der Energie gibt, das besagt (Zitat aus einem Lexikon): Der Energieerhaltungssatz in der klassischen Physik sagt aus, dass die Gesamtenergie eines Systems durch Prozesse, die ausschließlich innerhalb des betrachteten Systems stattfinden, nicht verändert werden kann. D.h. es ist unmöglich, innerhalb eines abgeschlossenen Systems Energie zu erzeugen bzw. zu vernichten. In anderen Worten ausgedrückt: Energie kann nicht aus dem Nichts entstehen und kann auch nicht verschwinden. Verschiedene Energieformen (mechanische Energie, Wärme, chemische Energie) wandeln sich ineinander um. Die Umwandlung von Energie in ihre unterschiedlichen Formen wird durch die Elektrodynamik, Mechanik, Thermodynamik, Quantenmechanik, etc. beschrieben und bildet die Grundlage für die meisten Vorgänge in der belebten und unbelebten Natur. Zitat Ende.
Wenn man das Universum als das abgeschlossene System nimmt, dann hat man hier die buddhistische Philosophie und auch den Grund warum Alles immer ist, dann wird Reinkarnation logisch.
So, genug jetzt. Beim Schreiben des Textes habe ich viel gelernt. Danke für deine Frage. Und wie gesagt, das ist nur mein Verständnis der Angelegenheit ...
Mit herzlichen Grüßen
almaluz