mipoohji:
Guten morgen liebe Mitleser (Ritual, wenn auch unregelmäßig angewandt),

heute morgen denke ich über Rituale nach und was sie für uns bedeuten können. Ein Teilhintergrund der Gedanken ist ein Bericht über den neuen Papst, der in einem Gefängnis Füße waschen ging.

Klingt ja im ersten Moment revolutionär, denn eigentlich hatte man sich daran gewöhnt, dass es mindestens Kardinäle sind, die ihre Füße gewaschen kriegen, und zwar immer Gründonnerstag...

Nun, in einem Punkt blieb Franziskus konventionell. Es fand nämlich am Gründonnerstag statt. Aber er zeigte sich auch unkonventionell, denn er ging zum Füßewaschen diesmal in den Knast.
Es wird nirgendwo berichtet, ob die gewaschenen Gefangenen nun tatsächlich schmutzige Füße hatten (was ja der einzige Grund wäre sie zu waschen), oder ob die sich schlecht bücken konnten (was auch ein wenig Sinn in die Situation bringen könnte). Warum er die (Füße) nun auch noch geküsst hat.. also mir scheint das dann schon ein wenig übertrieben...

Und dann dachte ich auch an diese zennige Verbeugung mit gefalteten Händen. Egal was für ein Arsch da steht, man tut das eben, sobald man vor der Matte steht auf der das Zafu liegt, und erst wenn alle brav ihre Turnübung gemacht haben, die so zart angedeutet ist, dass sie sowieso keine gymnastische Wirkung mehr zeigt, darf man sich setzen.

Nun, ich finde es nicht sonderlich schlimm, auch mal etwas sinnloses zu tun. Ich finde es interessant, zu bemerken, was es mit uns tut oder eben auch nicht.

Was es sicher leistet, auf einmal ist alles ganz anders. Hatte ich vielleicht eben noch eine diskriminierende Idee zu meinem Gegenüber im Sinn, passt sie spätestens mit der Verbeugung nicht mehr so recht zusammen. Ich kann dann evtl sogar ausbrechen aus einem gewohnten Denkmuster.

Andererseits werde ich nun nicht zwangsläufig diesem Menschen gegenüber ständig respektvoll sein, nur weil ich mal meine Hände zusammenhielt und mich verbeugt habe. Mag sogar sein, dass ich bei der nächsten Begegnung wieder im selben Denkmuster stecke wie gewohnt.

Und wie viele dieser Rituale kennen wir (meist ihne sie zu kennen...)! Jemand lächelt uns an, wir lächeln zurück. Wir lassen jemanden ausreden, obwohl wir längst erfasst haben, was er sagen will. Weil man das eben so tut. Wir nennen solche Dinge auch Konventionen, bei höhergestellten Personen spricht man von Protokoll... mit unserer Wirklichkeit hat das oft nichts zu tun.

Schaut man aufmerksam hin, erscheinen diese Dinge oft absurd.


Kommt ein Mensch neu zB in einen Zenverein, dann können diese dort zu erlernenden Rituale dazu führen, dass er aus alten Mustern herausfindet. Findet er dann nicht lückenlos in neue hinein, kann es ihm passieren, dass er anfängt zu denken.
Sicher werden wir uns immer irgendwie verhalten, wenn wir jemandem begegnen. Fördern die Rituale die Aufmerksamkeit, haben sie ganz sicher einen hohen Wert. Ersetzen sie nur alte Rituale, kommen wir vom Regen in die Traufe.

Soll erstmal genug sein, sonst mag das eh keiner mehr zu Ende lesen. Aber vielleicht konnte ich jetzt gerade jemanden herausbringen aus dem Ritual "Bedeutungsloses Geschwätz lesen und gleich wieder vergessen". Das tät´ mich dann schon auch freuen.

Guten morgen (Ritual und auch nicht)
mipooh
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