Nina256:
Im Glauben gefangen war ich, hatte mich im Labyrinth der Gedanken verlaufen. Immer auf der verzweifelten Suche nach der Wahrheit. Doch mein Fehler war, sie in Worte fassen zu wollen, die unantastbare einzige Wahrheit. Denn Worten vertraute ich mehr als Gefühlen.
Den Sinn im Leben hatte ich so lange vergeblich gesucht. Von Menschen fühlte ich mich bedroht und eingeengt, doch in Wirklichkeit war ich es, die sich ein- und wegsperrte von der Welt.
Ich lebte in meiner eigenen Welt, einer Welt nur aus Gedanken und Vorstellungen. Meine Unruhe war unermeßlich groß. Die Realität hatte ich längst aus den Augen verloren.

So kam es, daß ich meinen einzigen und wertvollsten Besitz hier auf Erden leichtsinnig schwer schädigte - meinen Körper. Meine Wahrnehmung hatte mir oft genug gezeigt, wie gefährlich mein Handeln war. Doch mein Verstand versuchte zu verstehen, drehte sich im Kreise, suchte Ursachen und Folgen, wollte alles Leben in eine Logik hineinzwängen, an der ich mich festhalten könne, aus Angst, noch tiefer zu fallen.
Ich glaubte fest den Worten, die in meinem Kopf herumschwirrten, mißachtete meine Wahrnehmung total.

Als ich endlich begriff, war es zu spät. Für immer lebe ich nun in einem kranken Körper. Wie habe ich geschrien und geweint, als mir dies bewußt wurde! Wie unwichtig wurden alle Dinge des Lebens! -> Arbeit, Studium, das Streben nach Anerkennung und die Angst vor dem Nicht-Geliebtwerden, die anstrengende Suche nach einem unantastbaren Weltbild, der Wunsch, andere Menschen zu überzeugen u. vieles andere.
Alles, was ich je über die Welt dachte, alle meine Prinzipien, Lebensregeln verwarf ich. Denn sie halfen mir nicht mehr weiter, dienten mir nur dazu, mich im Kreise zu drehen. Ich erkannte, daß mir kein Mensch auf der Welt helfen kann, selbst wenn er wollte. Kein Mensch versteht MICH so wie ich, kein Mensch weiß um meine Krankheit so wie ich, kein Mensch kennt dieses Leben wie ich, kein Mensch kann die Verantwortung darüber übernehmen - selbst ich nicht.

Ich verzieh mir für diese schrecklichen Taten, denn sie erfolgten unbewußt, versehentlich, unwissentlich und in dem Streben, ein guter Mensch zu werden, in dem Verlangen, mit mir selbst weiterzukommen.

Ich verzieh jenen, die mich in meiner Selbstzerstörung unterstützten oder mich nicht daran hinderten, denn sie wußten nicht, was sie taten, waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, fürchteten selbst den Liebesverlust und andere Dinge. Viele unter ihnen können immer noch nicht sich selbst sehen, treiben unbewußt im Strom der
Zeit, hin - und hergerissen von ihren vielseitigen Begierden und Ängsten.

Mein Leben.
Jeden Morgen erwache ich nun und will der Realität nicht ins Auge sehen, möchte meine (körperlichen) Schmerzen nicht spüren.
Doch ich vegesse langsam um den alten Zustand, verliere das Verlangen, einen früheren Zustand zu erreichen.

Da Heilung geradezu unmöglich ist, beschäftigt mich nun seit vielen Tagen und Nächten der Tod.

Mein Tod.
So lange hatte ich mich vor ihm gefürchtet. Wie schrecklich war der Abend, an dem mir bewußt wurde, daß ich den Tag verloren hatte. Damals. Und Menschen, die mich quälten, konnte ich nicht verlassen, da mir unbewußt diese Angst vor dem lebensgefährlichen Leben im Nacken
saß.

Nun ist alles anders, das Leben quält mich mehr als jede Angst.
Kann der Tod mich befreien? Zunächst war ich mir so sicher, daß ich diesen Weg gehen müsse, um mich zu retten. Doch mir kamen so viele Menschen in den Sinn, die ich nicht allein lassen wollte,
denen ich noch so vieles zu geben hatte. Ich wollte ihnen nicht diesen Schmerz bereiten, wollte sie nicht um einen Mitmenschen berauben.

So vieles verliere ich durch den Tod: Mein Augenlicht, meine Ohren, meinen Geruchs- und Geschmackssinn, den Tastsinn. Wär ich tot, könnte ich meiner Mutter keine Freude mehr bereiten, nicht mehr für sie nach einem anstrengenden Arbeitstag Abendessen kochen. Wär ich tot, könnte ich nicht mehr um meinen Bruder sorgen, ihm Dinge beibringen, ihn beschützen vor der Härte mancher Lebenssituationen.

Der Gedanke an diesen Lebens-Abbruch, den totalen Bewußtseinsverlust, schmerzt mich genauso wie der Verlust meiner Gesundheit, vielleicht sogar noch mehr.

Es ist nicht dies Leben, das ich überstehen muß, sondern immer nur dieser Augenblick, und so ist es erträglich, und immer öfter gibt es sogar angenehme, schmerzfreie Augenblicke.

Fazit.
Ich achte nicht mehr auf das, was ich verlor.
Konzentriere mich nun auf das, was mir blieb.

Und so tanze ich bei Sonnenschein und Regen über die Straßen. Beobachte nachts meinen Schatten im orangen Laternenlicht.Gebe Menschen Worte und Umarmungen. Und ich schreibe, schreibe unendlich viele Seiten in mein Tagebuch. Schreibe nur noch das, was ich wahrnehme und fühle, nicht mehr, was ich denke - ich denke sogar kaum noch.

Es gibt kein echtes Gefängnis auf Erden außer meinem Körper.
Die Abhängigkeit zu Menschen, der Glaube an die Vernunft, das Streben nach einem höheren Dasein - all das sind Dinge, die uns künstlich in ein Gefängnis setzen, das gar nicht existiert.

Im Leben geht es immer nur darum zu überleben, und das möglichst gesund...

Mein größter Wunsch ist, eines Tages wieder in einem gesunden Körper zu leben. Und auf einmal bin ich so ruhig, so gelassen wie nie zuvor.
Brauche nicht mehr zu wünschen und zu hoffen, brauche nicht mehr zu suchen nach einer Lösung, einer Heilung.
Denn ich spüre genau, daß dies erfüllt wird irgendwann - auch wenn nicht mehr in diesem Leben, nicht in diesem Körper.
So viele Menschen um mich herum haben noch das, was ich verlor. Ich beneide sie nicht mehr, sondern beobachte fasziniert ihr Leben,
freue mich für ein Wunder in ihnen, daß sie selbst nicht sehen können.

Millionen Milliarden Zellen in unseren Körpern arbeiten perfekt zusammen, erschaffen das, was wir sind. Der Organismus ist so stark, daß er auch bei Verlusten weiterlebt und repariert, wo er kann. Das Leben ist heilig, egal wie unwürdig es manchmal erscheint.

Leben und Tod lassen mich nicht mehr los.

Doch ich lasse jetzt los von den Buchstaben und Sätzen, beende nun
diesen kleinen großen Einblick in mein unendliches unauslöschliches Leben.
Vielleicht könnt ihr daraus etwas für euer Leben entnehmen.

In Liebe Nina
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