Angeregt durch Zarafels Hinweise auf die Position des Individuums als Bestandteil der Gattung, als Teilnehmer einer Sozialisation und als Objekt schlechthin, fühle ich mich aufgefordert, meine eigene Position zu überdenken um sie mitzuteilen.
Bei aller wissenschaftlichen Korrektheit mit der der Mensch beschrieben wird wird er doch in meinem Empfinden zu sehr zum Onjekt gemacht.
Ich vertrete hingegen schon seit vielen Jahren die Auffassung, dass der Mensch in erster Linie Subjekt ist und dass dem viel zu wenig Rechnung getragen wird.
Betrachte ich meine eigene Lebensgeschichte, so wird mir deutlich, dass Sozialisation durchaus in einem hohen Maße gelungen ist, ja sogar übertrieben gelungen ist in vielerlei Hinsicht, so dass mir oft mehr zur Last als zur Freude wurde.
Nun habe ich, wie jeder andere, aber nur mein bischen Leben und sehe immer wieder die Notwendigkeit es als erfüllt zu erleben. Dies kann Gesellschaft bzw Gattung jedoch nicht leisten, was gerade derzeit in unserem Kulturkreis wesentlich deutlicher wird als jemals zuvor in meinem Leben.
Verkürzt auf eine Formel gebracht, "keine Sau interessiert sich für mich", und das kann oft genug jeder von uns erleben. Wo nicht, mag ein sehr kleines relativ gut funktionierendes soziales Umfeld den Blick auf Gesellschaft verdecken und somit mag in wenigen Einzelfällen (insbesondere in dem Teil der Gesellschaft, die mal "bürgerlich" genannt wurde) ein Bewusstsein von letztlicher Selbstverantwortung fehlen.
Was ich erlebe ist, dass es unserer Gesellschaft nicht gelingt friedlich miteinander zu leben, es gelingt nicht, Armut und Hunger zu verbannen, obwohl mehr an Nahrung weggeworfen wird als benötigt würde um alle essen zu lassen. Was schon gar nicht gelingt ist eine Form menschlicher Gemeinschaft zu entwickeln, die jedem einzelnen ein Leben in Würde und Freude eröffnet.
Und sowas nennt sich Kultur! (Und jetzt kommt Wissenschaftskritik) Wissenschaftlich betrachtet handelt es sich um eine solche, was mE deutlich macht, wie gering der Anteil von Wissenschaft an Kultur ist.
Ich komme auf das Subjekt zurück, das in der Notwendigkeit eines erfüllten Lebens innerhalb dieser doch sehr unzureichenden Rahmenbedingungen zumindest die Aufgabe hat zufrieden sein zu können. Die kann es nur dadurch erledigen, egal was theoretisch wünschenswert erscheinen mag, indem es selbst dafür sorgt und sich diesbezüglich frei macht von Tendenzen der Gattung ;) von den Bedingungen der Gesellschaft. Sicher nicht von allen.
Hier beginnt das was dem Begriff Religion zugrundeliegt. Eine Rückbesinnung des Individuums auf nicht gesellschaftlich relevante Eigenschaften, die in der Lage sind, die Diskrepanz zwischen dem Anspruch auf erfülltes Leben und dem gesellschaftlichen Anspruch zu überwinden.
Da, wo Zufriedenheit nicht aus dem friedlichen und gerechten Umgang miteinander entsteht, muss sie aus anderen Quellen entstehen, weil ansonsten das Subjekt, die Person, das Individuum dazu verdammt wäre, sein Leben in Unzufriedenheit mit gelegentlichen Aufheiterungen zu fristen. Etwas das nicht einmal psychisch Kranken gelingt.
Die Mittel, die Religion (immer im weitesten Wortsinn) dazu einsetzen kann unterscheiden sich nicht von denen, die der Mensch grundsätzlich hat. Es sind Gedanken und Gefühle, der Wille und die eigene Tatkraft. Der religöse Mensch hat zu lernen, es bleibt ihm keine Wahl, seinen Geist kreativ zu nutzen. Er wird (auch dadurch) nicht in die Lage kommen, die gesamte Umwelt zu beherrschen und die Bedingungen allein so zu verändern, dass sie geeignet sind, paradisische Zustände zu schaffen. Aber er kann lernen sein Bewusstsein so zu gebrauchen, dass er in befriedigendem Maße Erfüllung findet.
Dazu ist es notwendig, dass einem erstmal alle den Buckel runterrutschen können, die Person sich selbst in ihrem geistigen Potential erlebt und lernt dies sowohl emotional als auch rational dazu einsetzt, zumindest eine eigene Zufriedenheit zu entwickeln. Selbstverständlich wirkt sich das in die Gattung hinein aus, nur ist das nicht der individuelle Zweck. Der individuelle Zweck ist die Verpflichtung zur Erfüllung des jeweiligen eigenen Lebens. Die Auswirkung auf die Gattung, lieber Zarafel, ist mehr oder weniger ein Abfallprodukt, das ihr als Humus dienen mag...
So, wenn es nun hier nicht weitergeht, dann deshalb, weil ich im Moment meine, dass alles gesagt ist...
In diesem Sinne, lasst Euch mal alle den Buckel runterrutschen, seht zu, dass Ihr Euch wohlfühlt. Die Gattung wird zwangsläufig profitieren... um so mehr, je mehr Ihr Euch wohlfühlt.
Gruß
mipooh