Hier wurde ja wochenlang besonders von einem User für Kabat-Zinn geworben, und ich warf ein, dass ich skeptisch bin bei Methoden, die man sich recht einfach aus der buddhistischen Lehre ableiten kann (wie Achtsamkeits-Meditation), die nun aber in kostenpflichtigen Ausbildungs- und Übungskursen weltweit gewinnträchtig vermittelt werden. Ich erinnere hier an einen berühmten Zen-Abt, der an den Hof eines Herrschers bestellt wurde, sich dort aber unwohl fühlte und Reißaus nahm. Um ihn zu besänftigen, wollte der Herrscher sein Kloster erheblich erweitern. Ein geschäftstüchtiger Mönch zählte die Vorteile auf, woraufhin der Abt nicht nur das Angebot ablehnte, sondern auch den Mönch aus der Sangha ausschloss. Das Kriterium, wie einer die buddhistische Lehre mit Kommerz vermischt, sollte stets bedacht werden. Buddhistische Mönche leben auch von Spenden, aber der Grundansatz ist, nicht mehr als nötig zu sammeln/zu behalten.
Ich habe mir eine lange Rede von Kabat-Zinn angehört, nachdem ihn auch der geschätzte Bhante Dhammika (der einen sehr amüsanten und lehrreichen Blog namens "Dhamma musings" betreibt) empfohlen hatte. Der Link ist hier:
www.youtube.com/watch%3Fv=3nwwKbM_vJc
Und habe mich gefragt, wie dieser gut einstündige Vortrag in den "Google Channel" kommt, vielleicht weiß das jemand. (Da Kabat-Zinn mehrfach "Google" erwähnt, komme ich drauf.)
Zinn, so will ich ihn nennen, spricht davon, dass ein Nobelpreisträger, ein Kollege, bei ihm in den Meditations-Unterricht kam. Der hatte zunächst Angst, in der Meditation seinen "mind" (Geist) zu verlieren - der ihm doch so großes Verdienst beschert hatte. Zinn entgegnet, er würde nun seinen "mind" erst kennen lernen und sich mit ihm anfreunden ("befriend") können. Zinn sagt später jedoch: "The brain is not the mind", das Hirn ist nicht der Geist. Und dann zitiert er Zen-Meister, die sagen: Zeig mir deinen Geist!
Hier setze ich an. Zunächst kann mir vielleicht jemand sagen, ob Zinn selbst von irgendeinem buddhistischen Lehrer authorisiert wurde, nur der Vollständigkeit halber. Ich sehe hier ein Missverständnis. Was die Zen-Lehrer andeuten, ist einerseits die Leere des Geistes (shunyata), andererseits wissen wir ja gerade aus den Koan, dass es sehr wohl möglich ist, den Geist zu zeigen. Dieses Zeigen besteht etwa im gegenwärtigen, nicht-dualistischen Tun (oder einer verbalen Antwort, die solches zum Ausdruck bringt). Oder im Heben einer Blume und einem Lächeln. Wenn wir uns vorstellen, der Buddha hätte die Blume einem Dutzend Dementer gezeigt, von denen einer blöde gelächelt hätte - wäre dann etwa auch - wo hier doch einfach nur nicht-dualistisches Tun am Werken sein könnte - der Dharma übertragen worden? Ist dies wirklich vorstellbar?
Bleiben wir also realistisch: Brain is Mind. Ich habe nichts dagegen, wenn man die Existenz als etwas anderes bezeichnet, und natürlich wollen die Zen-Meister als Antwort auf ihre Frage nach dem Geist nicht, dass man sich das Hirn rausreißt. Aber der Geist der Dharma-Übertragung ist der eines funktionstüchtigen Hirnes. Im ganzen Denkoroku ist - selbst wenn jemand Koan und Übertragungsgeschichten als schwachsinnig bezeichnen mag - nicht eine einzige, die darauf hinweist, dass die Akteure unheilbar debil gewesen wären.
Und so ist es auch bei Kabat-Zinns Methode. Weil er sich nur Dinge aus dem Buddhismus leiht, ohne das Gesamtkonzept (etwa des Zen) zu verstehen, begreift er wohl auch nicht, dass es der gleiche Geist (das Hirn) des Nobelpreisträgers ist, das grandiose Leistungen vollbracht hat, welches nun nach "Geistesfrieden" sucht. Es ist auch das gleiche Hirn, das diesen vollziehen wird. Es ist das gleiche Hirn, dass sich die Illusion vorspiegelt, es bräuchte einen Kabat-Zinn dafür.
Es gibt einen informativen Artikel von Fred von Allmen über Zinns Methode und deren Herleitung, "Alles in Buddha":
http://www.buddha-heute.de/rubrik-02/alles-buddha.htm
Hierzu möchte ich ebenfalls etwas kritisch anmerken, um nicht zu viele Erwartungen zu wecken, obgleich ich natürlich sicher bin, dass man mit Vipassana auch bei Zinn nicht allzu viel falsch machen kann (die Frage ist nur, ob man es anderswo nicht billiger bekommt). Fred von Allmen spricht nach 8-wöchigen Kursen vom Rückgang körperlicher und seelischer Symptome bei den Praktizierenden im Bereich von 25 %. Zum Vergleich gebe ich mal gerade an, wie die rein schulmedizinischen Prognosen bei der Migräneprophylaxe sind (einem der häufigsten chronischen Schmerztypen): bei Betablockern, Calcium-Antagonisten und dem Naturheilmittel Pestwurz ca. 50 % Erfolge mit ca. 50 % weniger Kopfschmerzen. Das ist im Endeffekt - wenn auch mindestens 3 Monate vorgesehen sind, ehe man Erfolge erwarten darf - also eine ganz ähnliche Erfolgsquote, und ich erlaube mir zu sagen, sie ist relativ bescheiden.
Der Grund dafür könnten auch falsche Vorstellungen sein, wie sie im Vipassana bestehen und eigentlich zumindest von einem Arzt wie Zinn nicht weiter gestützt werden dürften, z.B. dem "Atem hinführen" in Problemzonen des Körpers. Tatsächlich ist es bei schädlichen Zellen so, dass Atem (Sauerstoff) entzogen werden müsste, um sie auszumerzen, und wer, wie ich, mal Eiter unterm Zahn hatte, wo keine Antibiotika hinkommen, weil der Bluttransport nicht hinreicht, der weiß auch, dass diese letzlich physiologische Idee des Hinführens noch andere Grenzen kennt.
Dennoch, der obige Link zu Zinns Vortrag hat 777 Antworten und über 300.000 Hits. Aus Neugier war ich gerade auf Youtube einen Vortrag von Pema Chödrön anhören, der brachte es gerade mal auf 8.000 Besucher.